DUH gewinnt gegen VW: Software-Updates unzulässig


Die deutsche Umwelthilfe (DUH) hat im bisher größten bisher Gerichtsverfahren wegen Millionen Betrugsdiesel-PKW von VW, Audi und Seat gewonnen. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat heute bestätigt, dass das Software-Update für Millionen von Dieselfahrzeugen rechtswidrig war und diesen Autos von der Stilllegung bedroht sind, obwohl sie zum Software-Update gefahren sind.

Das Urteil hat Folgewirkungen

auch für Österreich, denn die deutsche Zulassungsbehörde, die diese Klage in erster Instanz verloren hat, hat auch die Software-Updates für jenne 335.000 VW, Seat, und Audis genehmigt, die in Österreich wegen des Dieselskandals zurückgerufen worden sind. Diese Dieselfahrer, die brav zum Software-Update gefahren sind, sind rechtlich in genau der selben Situation wie jene 23.000 VW Dieselbesitzer, die das nicht getan haben.

Die DUH fordert den
deutschen Verkehrsminister auf

gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts keine Revision mehr einzulegen, sondern den VW-Konzern dazu zu zwingen, die Betrugsautos auf seine Kosten stillzulegen oder technisch nachzurüsten, damit sie sauber unterwegs sind. Dieses Urteil richtet sich direkt 62 unterschiedlichen Diesel-Modellvarianten mit EA-189 Betrugsmotor und der Abgasnorm Euro 5, die ab 2016 zurückgerufen worden sind.

Weil aber auch alle anderen Hersteller wie Mercedes, Fiat, Volvo, BMW ähnliche verbotene Abschalteinrichtungen eingebaut haben, gegen die die DUH ebenfalls geklagt haben, sind indirekt Millionen von Dieselfahrzeugen betroffen, die zwischen 2009 und 2015 als Neufahrzeuge verkauft wurden. 8,6 betroffene Diesel sind es in Deutschland, 1,6 Millionen in Österreich.

Das VG Schleswig

hat bestätigt, dass in diese Dieselautos auch nach dem Software-Update verbotene Abschalteinrichtungen eingebaut waren:

die sogenannten Termofenster, Abschaltung der Abgasreinigung ab einer gewissen Höhe (ab 1.000 Meter) und nach 15 Minuten Betrieb am Stand.

Sie verstoßen laut heutigem Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Schleswig gegen Recht und Gesetz und enthalten auch mehr als acht Jahre nach Aufdeckung des Dieselskandals nach wie vor aktive illegale Abschalteinrichtungen.

Die DUH fordert nach diesem bereits zweiten gewonnenen Verfahren, das gegen die deutsche Zulassungsbehörde, gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gerichtet war, den den deutschen Bundesverkehrsminister Wissing auf, das Urteil zu respektieren und “die Kumpanei mit den betrügerischen Dieselkonzernen zu beenden”, so der DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch in einer Presseaussendung.

„Der Gesundheitsschutz von Millionen den Dieselabgasgiften ausgesetzten Menschen muss endlich durch die Stilllegung der Betrugs-Diesel oder deren Hardware-Nachrüstung auf Kosten des betrügerischen VW-Konzerns erfolgen“

DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch

Das Verwaltungsgericht

hat der Klage des Umwelt- und Verbraucherschutzverbands DUH gegen die Bundesrepublik Deutschland und den beigeladenen Volkswagen-Konzern vollumfänglich stattgegeben:

Die Abgasreinigung bei Diesel-Fahrzeugen muss zwischen minus 15 Grad Celsius bis plus 40 Grad funktionieren, so die Richter.

Abschalteinrichtungen, die unter 10 Grad Außentemperatur, nach 15 Minuten Leerlauf oder oberhalb von 1.000 Metern Höhe die Reinigung der Abgase runterfahren oder ganz abschalten, sind unzulässig. Dass das KBA dies über Jahre geduldet hat, war rechtswidrig.

Das Gericht hob die Freigabebescheide der Behörde für alle betroffenen Diesel-Fahrzeuge des VW-Konzerns mit dem EA189-Motor auf. Gleichzeitig hat das Gericht das KBA dazu verpflichtet, gegen den VW-Konzern tätig zu werden, damit die Abschalteinrichtungen entfernt werden.

Die DUH fordert nun die sofortige Anordnung einer Hardware-Nachrüstung oder eine Stilllegung der Autos mit Entschädigung der Kunden auf Kosten der Autobauer.

„Das Urteil ist klare Niederlage für Bundesverkehrsminister Wissing und das ihm unterstellte Kraftfahrt-Bundesamt. Durch die Abschaltung einer ordnungsgemäßen Abgasreinigung in Millionen Diesel-Fahrzeugen werden Millionen Menschen in unseren Städten unnötigerweise hohen, extrem gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxid-Konzentrationen ausgesetzt. Das haben der Europäische Gerichtshof und das zuständige Gericht in Schleswig nun sogar schon zum zweiten Mal bestätigt und uns Recht gegeben. Ich fordere Bundesverkehrsminister Wissing auf, seine Kumpanei mit den betrügerischen Dieselkonzernen zu beenden, die Bevölkerung nicht durch weitere Berufungs- und Revisionsverfahren immer länger zu vergiften, sondern das Urteil endlich zu respektieren und umzusetzen. Das Kraftfahrt-Bundesamt muss diese Fahrzeuge stilllegen oder per amtlichem Rückruf eine Nachrüstung mit wirksamer Abgasreinigungstechnik anordnen.“

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch


Insgesamt geht die DUH von rund 8,6 Millionen Diesel-Fahrzeugen deutscher, europäischer und internationaler Diesel-Hersteller aus, die mit ähnlich unzulässigen Abschalteinrichtungen in Deutschland noch in Betrieb sind. In Österreich sind es 1,6 Millionen. Dadurch stoßen die Pkw bis heute bis zu 40 Mal so viel Stickoxide aus wie erlaubt – extrem gesundheitsschädliche Abgasgifte, die allein in Deutschland für zehntausend vorzeitige Todesfälle jedes Jahr verantwortlich sind.

In den kommenden Monaten wird das VG Schleswig sich mit weiteren Klagen der DUH gegen die Bundesregierung zu Betrugsdiesel-Fahrzeugen von Mercedes-Benz, Porsche, BMW, Fiat und 15 weiteren Herstellern beschäftigen.

„Wenn das KBA zukünftig als neutrale Behörde ernst genommen werden will, muss es endlich einschreiten und aufhören, insbesondere Volkswagen nach dem Mund zu reden. Die höchstrichterliche Klärung zu diesen Fragen liegt durch mehrere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs längst vor.“

Rechtsanwalt Remo Klinger

Hintergrund


Nach Aufdeckung des Abgasskandals 2015 durch Abgasmessungen der DUH war das KBA gezwungen, eigene Überprüfungen anzustellen. Doch anstatt gegenüber den Autoherstellern anzuordnen, dass die illegalen Abschalteinrichtungen zu entfernen sind, wurde in zahlreichen Bescheiden die von den betrügerischen Autoherstellern verwendeten Abschalteinrichtungen (die nach der Außentemperatur, der Höhenlage und der Länge des Leerlaufs in Betrieb gesetzt wurden) für zulässig erklärt, die Bescheide selbst aber geheim gehalten.

Nach Auffassung der DUH hätten die Fahrzeuge stillgelegt oder durch eine Hardware-Nachrüstung ertüchtigt werden müssen, um damit die Grenzwerte für die Stickoxidemissionen einzuhalten. Nach diesen Freigabebescheiden des KBA durften die Fahrzeuge weiter auf den Straßen unterwegs sein.

Die DUH hat mit ihren Messungen aufgedeckt, dass auch nach den Software-Updates die Luft fast unverändert weiter mit hohen Mengen Stickoxiden verpestet wurde. Daraufhin hat die DUH am 16. April 2018 ein Musterverfahren gegen das KBA eingeleitet. Es zielt auf die Aufhebung eines 2016 erteilten Freigabebescheids für den VW Golf Plus TDI (2,0 Liter) mit dem Motor EA 189 EU5.

Im November 2019 hatte das Verwaltungsgericht Schleswig das Verfahren ausgesetzt, um zunächst zwei Fragen durch den Europäischen Gerichtshof entscheiden zu lassen. Zum einen ging es dabei um die Klagebefugnis der DUH, weil das deutsche Umweltrechtsbehelfsgesetz dies für den Fall der Pkw-Typgenehmigung ausschließt. Zum anderen sollte geklärt werden, unter welchen Umständen Abschalteinrichtungen als legal einzustufen sind. Im November 2022 hat der Europäische Gerichtshof bestätigt, dass die DUH berechtigt ist, gegen das KBA zu klagen.

Außerdem stellten die Richter klar, dass die Abgasreinigung in der überwiegenden Zeit ihrer Nutzung auch bei niedrigen Außentemperaturen funktionieren muss. Daraufhin hat die DUH im Februar 2023 das Musterverfahren gegen das KBA gewonnen. Ihm folgte das Verfahren heute im Streit um 62 weitere Modellvarianten.