beim Zeitschinden: Untersuchungskommission, Autogipfel
Die vom deutschen Verkehrsminister eingesetzte Untersuchungskommission Volkswagen untersuchte insgesamt 53 gängige Dieselmodelle auf Abgasmanipulationen, auch anderer Autobauern als VW. In mehrfacher Hinsicht ist die Ergebnisse dieser Kommission bemerkenswert, die im April 2016 vorgelegt wurde.
Erstens legte man fest, dass Überschreitungen des gesetzlichen Grenzwertes für das Abgas Stickoxid bis zum 3-fachen gar nicht beachtet werden. So durften Autos mit der Abgasnorm Euro 5 vom Grenzwert von 180 mg bis zu 540 mg abweichen, Autos der Abgasnorm Euro 6 vom Grenzwert von 80 mg bis 240 mg.
Das ist so, als würde die Polizei erlauben, im Stadtgebiet Tempo 150 km/h zu rasen statt 50 km/h. Erst ab einer noch größeren Abweichung wurde die Kommission überhaupt aktiv und versuchte als nächstes, in direkten Gesprächen mit den Herstellern diese Abweichungen plausibel zu erklären.
Als plausible Erklärung wertete die Kommission die Existenz von „Thermofenstern“ zum Schutz der Bauteile des Motors, was laut Ansicht der Kommission mit EU-Recht übereinstimme. Kein Wunder: schließlich hatte das KBA, das ja auch Teil der Kommission war, VW beim Software-Update solche Thermofenster genehmigt.
Rechtliche Zweifel äußerte die Untersuchungskommission also nicht an der schieren Existenz der „Thermofenster“, sondern sie zweifelte lediglich daran, ob diese Thermofenster in vollem Ausmaß tatsächlich mit dem Schutz der Motorbauteile zu rechtfertigen seien, also wenn die Abgasreinigung schon unter +17 Grad reduziert wurde.
Seit dem Kommissionsbericht wurde jedenfalls klar: auch Mercedes oder Opel hatten „Thermofenster“ eingebaut, nur bei BMW fand man solche nicht.
Von den 53 untersuchten Fahrzeugen blieben nur mehr 22 „auffälligen“ Modelle übrig, deren enorme Abweichungen der Kommission gegenüber nicht plausibel erklärt werden konnte.
15 oder zwei Drittel dieser „Auffälligen“ stammen von nicht-deutschen Herstellern, wie Renault, Suzuki, Dacia, Hyundai, Jaguar, Ford, Nissan, General Motors und Fiat.
Die anderen 7 entfielen auf deutsche Hersteller, vier auf Audi/VW, zwei auf Opel (Insigna, Zafira) und eines auf Mercedes (V 250 Blue Tech).
Die Lösung: bei den 15 ausländischen Autohersteller wurden die Zulassungsbehörden der jeweiligen Länder vom KBA informiert, wobei Fiat zum Ärger des deutschen Verkehrsministers zunächst überhaupt nicht reagierte.
Alle vier VW/Audi Fahrzeuge und der Mercedes kamen mit der Ankündigung davon, dass freiwillige Serviceaktionen zur Optimierung bei insgesamt 630.000 deutschen Autos durchgeführt werden.
Bei freiwilligen Serviceaktionen mischt die Behörde nicht mit. Auch die Kunden merken davon nichts, da sie im Zuge von Serviceaktionen stattfinden. Nur bei den beiden Opel zweifelte die Kommission offen an der Zulässigkeit der zu kleinen Thermofenster. Opel war zu diesem Zeitpunkt kein deutscher Hersteller mehr. So kamen die deutschen Dieselautobauer zunächst mit einem blauen Auge davon und konnten Zeit gewinnen.
Fakt ist, dass viele der als „unauffällig“ eingestuften Modellespäter wegen zu hoher Abgaswerte zurückgerufen werden mussten.
Abgasexperten wie Dr. Axel Friedrich, damals wissenschaftlicher Leiter des Emissionskontrollinstitutes (EKI) der deutschen Umwelthilfe (DUH) können nur den Kopf darüber schütteln, warum die im Untersuchungsbericht angeführten Test-Ergebnisse nicht fachgerecht interpretiert worden sind.
Mitte 2017 half die deutsche Bundesregierung den deutschen Autoherstellern mit einer weiteren Aktion, Zeit zu gewinnen.
Sie rief am 2. August 2017 alle drei großen deutschen Autokonzerne (VW/Audi, Mercedes und BMW) zum Nationalen Dieselforum zusammen. Man fürchtete, dass der Verkauf von Dieselautos zusammenbrechen könnten, denn die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte bewirkt, dass in 37 deutschen Städten ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge wegen zu hoher Abgasemissionen drohte.
Bei diesem medial groß inszenierten Event wurde die Existenz illegaler Abschalteinrichtungen von allen drei bestritten. Sie boten aber an, bis Ende 2018 insgesamt 5,3 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland mit Hilfe freiwilliger Rückrufaktionen abgasmäßig zu optimieren, darunter 3,8 von VW und Audi, 1 Million Mercedes und 300.000 BMW.
Mit dabei erstmals auch BMW. In diese 5,3 Millionen wurden allerdings gleich auch jene rund 2,5 Millionen manipulierte Dieselfahrzeuge von VW hineingepackt, die ohnehin schon verpflichtend zurückgerufen worden waren.
Die deutsche Regierung bot diesen Herstellern auch noch eine Bühne, Rabattaktionen beim Umtausch ganz alter Dieselautos zu verkünden.
In Österreich wurde diese Aktion eins zu eins wiederholt, inklusive Rabattaktionen der Hersteller beim Umtausch alter Fahrzeige: insgesamt 600.000 Fahrzeuge sollten abgasmäßig bis Ende 2018 optimiert werden, darunter die bereits verpflichtend zurückgerufenen 383.305 Dieselfahrzeuge von VW.
Fazit: Als die Branche in Deutschland bis Ende 2018 nur die Hälfte davon schaffte, gab es keinerlei Sanktionen. Die Schuld dafür hängte man der Behörde KBA um, die diese freiwilligen Rückrufaktionen nicht freigegeben habe.
In Österreich hatte man im März 2018 nicht einmal mit den freiwilligen Rückrufaktionen begonnen. Dieser Zeitgewinn ist ein nicht zu unterschätzender Faktor: jedes Jahr schrumpfte die Zahl der manipulierten Autos durch Unfälle, Verschrottung oder Exporte und damit das Ausmaß etwaiger Schadenersatzleistungen.