Knapp zehn Jahre nach Platzen des VW Dieselskandal macht der Oberster Gerichtshof (OGH) mit einem wegweisenden Urteil definitiv den Weg frei für Klagen. Wer jemals ein Dieselauto mit Baujahren 2008 bis 2017 gekauft hat, hat jetzt gute Chancen, die jeweiligen Autohersteller auf Schadenersatz zu klagen, nicht nur VW sondern auch andere Automarken wie Mercedes, BMW, Opel, Fiat usw. Das Potential für Klagen umfasst 1,6 Millionen Dieselautos, die in diesem fraglichen Zeitraum in Österreich gekauft wurden. Man muss das Auto auch gar nicht nicht mehr besitzen und kann dennoch klagen. Für VW, Seat, Audi, Skoda bietet der Verbraucherschutzverein (VSV) momentan eine risiko- und kostenlose Möglichkeit zu klagen (www.dieselanspruch.at)
Das durch den KURIER-Bericht bekanntgewordene wegweisende OGH-Urteil hat Mag. Michael Poduschka erwirkt, ein auf Dieselklagen spezialisierter Rechtsanwalt aus Linz, der nach eigenen Angaben in der Dunkelkammer bereits rund 4.000 individuelle Dieselklagen in Österreich abgewickelt hat.
Das OGH Urteil beschert dem Besitzer eines VW T6 (Kleinbus) einen Schadenersatz von 25.224,90 Euro plus 4 % Zinsen seit Einreichung der Klage, wirkt aber weit über diesen Einzelfall hinaus. Der T6 ist ein sehr beliebtes Kombi-Fahrzeug, das häufig auch von Rettungsdiensten und Polizei eingesetzt wird.
„Bin gespannt wie die Finanzprokuratur auf dieses OGH-Urteil reagiert“, meint der erfolgreiche Anwalt mit einem Augenzwinkern.
Zur Erinnerung: Die Finanzprokuratur hatte als Anwalt des Staates schon 2029 bei VW für 2.400 Polizeiautos einen Vergleich von rund 1,5 Millionen Euro erwirkt.
Was ist nun das Besondere an diesem
OGH-Urteil (9 Ob 92/25g) vom 26. August 2025?
1. Der OGH bejaht abschließend, dass bereits beim Kauf eines Autos mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung dem Käufer ein Schaden entstanden ist (objektiv abstrakt). Denn durch unzulässige Abschalteinrichtungen ist die Gültigkeit der EGTypengenehmigung und daran anschließend die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung in Frage gestellt und das führt zu einer Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit (Anmeldung ,Verkauf oder Inbetriebnahme des Autos ), was letztlich zu einem Schaden führen kann.
2. Daher steht dem Käufer ein Schadenersatz zu, egal was nach dem Kauf mit dem Auto passiert ist. Entweder kann der Käufer den Autohersteller auf Rückgabe des Autos klagen (Zug-um-Zug) oder das Auto behalten und auf Minderwert klagen. Wird das Auto zurückgegeben, muss man sich vom ursprünglichen Kaufpreis die gefahrenen Kilometer abziehen lassen. Behält man das Auto, kann der Schadenersatz zwischen 5 und 15% des ursprünglichen Kaufpreises ausmachen. Die Höhe des Schadenersatzes richtet sich nach österreichischem Recht, muss aber laut Vorgabe des EuGH „effektiv“ sein.
3. „Thermofenster“ sind eine unzulässige Abschalteinrichtung, wenn die Abgasreinigung die „überwiegende“ Zeit im Jahr nicht voll funktioniert. Das dem Urteil zugrunde liegende Auto hatte ein „Thermofenster“ zwischen + 12 und+ +39 Grad Celsius. Da in Österreich übers Jahr Temperaturen von 9,5 Grad herrschen, ist klar, dass dieses Auto die meiste Zeit im Jahr im Schmutzmodus fährt. Thermofenster wären nur dann ausnahmsweise zugelassen, wenn es keine andere technische Alternative gegeben hätte, was nicht der Fall war.
4. Die Autohersteller manipulierter Autos können sich nicht an der deutschen Zulassungsbehörde abputzen, die trotz Kenntnis der „Thermofenster“ eine EU Typengenehmigung ausgestellt hat. Die Autohersteller können sich also nicht auf einen Verbotsirrtum berufen. Denn dazu hätte der Hersteller den relevanten Sachverhalt der Behörde bekannt geben müssen, was laut Aussagen von VW nicht der Fall gewesen sei. Hier übernimmt der OGH eins zu eins das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 1. August 2025 auch für Österreich.
5. Das dem Urteil zugrunde liegende Auto wurde 2016 gekauft, also nach Auffliegen des VW Dieselskandals und gehörte nicht zu den im September 2015 aufgeflogenen Betrugsautos der ersten Stunde. Anders als die im September aufgeflogenen Dieselautos mit dem Betrugsmotor EA 189 hatte dieses Auto bereits den Nachfolgemotor EA 288 eingebaut. Wie man sieht, ging die Manipulation bei VW ging auch nach Auffliegen des Dieselskandals weiter, obwohl dies stets abgestritten wurde.
6. Auch für Dieselautos, die bisher nicht offiziell zu einem verpflichtenden Software-Update zurückgerufen wurden, gibt es Schadenersatz, wie dieser Fall zeigt. Für den T6 gab es nur eine freiwillige Service Aktion infolge von Konformitätsabweichungen, die üblicherweise während eines regulären Serviceserledigt werden, ohne die Käufer aktiv zu informieren.
