Folge 14: VW vs OGH

Auch in Österreich kann VW Höchstureile des OGH nicht verhindern – Möglicherweise 1,6 Millionen Dieselautos in Österreich betroffen.  

In Österreich stand seit Mitte 2020 fest, dass VW auch in Österreich geklagt werden kann. Volkswagen unternahm aber alles, um das Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu verhindern. 

Anfang 2023 war der Konzern damit zunächst erfolgreich: man bot einem Kläger ein so attraktives Angebot, dass dieser die Klage zurücklegte, sodass das OGH nicht mehr über diesen Fall entscheiden konnte. Doch der Aufschub währte nicht lange.

Erstmals am 21. Februar 2023 fällte der OGH ein Urteil in Sachen VW: Mit dem Teilurteil 10 Ob 2/23a bestimmte der OGH, dass ein Händler einen manipulierten VW Tiguan zurückkaufen muss, weil das Software-Update nicht ausgereicht hätte, den bestehenden Mangel zu beseitigen.

Das eingebaute „Thermofenster“ sei auch nicht ausnahmsweise zu genehmigen gewesen, weil die Abgasreinigung nur vier bis fünf Monate in Österreich voll funktioniert und die überwiegende Zeit im Jahr gedrosselt bzw. weggeschaltet wird.

Der Kläger musste sich zwar Nutzungsgeld abziehen lassen, erhielt jedoch vier Prozent Zinsen zugesprochen, rückwirkend für den eingesetzten Kaufpreis. 

Die viel wichtiger Frage, ob dies auch gegenüber Herstellern (nicht nur gegenüber Händlern) gilt, beantwortete der OGH am 25. April 2023 mit einem klaren Ja.

Bei unzulässigen Abschalteinrichtungen ist der Hersteller schadenersatzpflichtig. Denn das Fahrzeug ist latent mit einer Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Nutzungsmöglichkeiten behaftet. Das Software-Update habe den ursprünglichen Mangel („Umschaltlogik“) nicht beseitigt, weil die Autos danach noch Thermofenster eingebaut hatten. 

Dieses Verbot von „Thermofenstern“ gilt für alle Hersteller, nicht nur für VW. Das Argument, diese Thermofenster seien zum Schutz der Motorbauteile nötig, wischte der OGH mit folgenden Worten vom Tisch: „Eine solche Abschalteinrichtung, die den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, wäre nach Rechtsprechung des EuGH gleichermaßen unzulässig“.

Einen „Haken“ hatte das OGH-Urteil allerdings: Sollten die Käufer die Autos trotz Kenntnis der Manipulation gekauft haben (den konkreten Willen dazu), stünde ihnen kein Schadenersatz zu. 

Am 21. März 2023 urteilte der EuGH in Zusammenhang mit Mercedes, dass es sich bei der Abgasnorm um ein Schutzgesetz handle. Für einen Schadenersatz durch Hersteller braucht es keinen Vorsatz, sondern es reicht Fahrlässigkeit.

Die Festlegung der Höhe des Schadenersatzes überlässt der EuGH den einzelnen Mitgliedstaaten. Der BGH legte am 26. Juni 2023 den Schadenersatz für „Thermofenster“ bei Fahrlässigkeit zwischen 5 und 15 Prozent des Kaufpreises fest. Der OGH schloss sich später diesem Urteil an

Für Spannung ist gesorgt

Der EuGH wird demnächst klären, ob nicht ein höherer Schadenersatz „drin“ ist und ob die Genehmigung der Thermofenster durch die deutsche Behörde die Hersteller entlastet.

Für Österreich bedeutet dies: Nicht nur die bisher zurückgerufenen 536.281 Dieselfahrzeuge (freiwillige und angeordnete) von VW, Mercedes, Opel, Renault sind vom Entzug der Zulassung bedroht, sondern potenziell alle 1,67 Millionen Dieselfahrzeuge, die zwischen 2010 und 2018 gekauft wurden.