Betrug begann schon 9 Jahre davor – US Behörde jahrelang genarrt – Winterkorn sichert Vermögen
21. August 2015
Dass die US-Umweltbehörde die Manipulationen öffentlich machte, durchkreuzte die Pläne von VW, diese geheim zu halten. Die lange Vorgeschichte: Schon 2006 hatte VW mit diesen Manipulationen begonnen.
Als im März 2014 die ersten Indizien in den USA auftauchten, hat der deutsche Weltkonzern die US-Behörden eineinhalb Jahr in die Irre geführt, mit Scheinaktionen und Ausreden abgespeist, bis das Lügenhaus zusammenkrachte und VW am 3. September 2015 gegenüber der US-Behörde den Betrug zugeben musste.
Rückblende
2006 VW wollte weltweit die Nummer eins werden und brauchte dafür den US-Markt. Es war klar, dass man mit der simplen Abgasreinigung die strengeren US-Vorschriften nicht erfüllen konnte. Daher wurde auf Druck des Managements im November 2006 bei VW beschlossen, die simple Abgasreinigung (AGR) nur auf dem Prüfstand (bei der Typengenehmigung des Autos) einzuschalten und sie auf der Straße komplett wegzuschalten.
Eine extra eingebaute Abschalteinrichtung sorgte dafür, dass diese Autos zwei verschiedene Betriebsmodi hatten: die saubere am Prüfstand und die dreckige auf der Straße.
Diese Abschalteinrichtungen wurden in alle VWs eingebaut und vor der deutschen Zulassungsbehörde verschwiegen. Diese Abschalteinrichtung wurde verharmlosend „Akustikfunktion“ oder „Umschaltlogik“ genannt, obwohl sie nichts mit Logik oder Akustik zu tun hatte.
Sie war bei der VW-Tochter Audi bereits bei den Oberklasseautos seit 2004 in Europa eingesetzt worden, weswegen Audi die eigentliche „Keimzelle“ des Skandals ist.
Saubere Alternative war zu teuer
Wichtig: Schon damals hätte es eine viel bessere Technik gegeben, um das umwelt- und menschenschädigende Abgas Stickoxid mit Hilfe von Harnstoff zu senken, aber diese aufwändigere Variante mit dem Katalysator (SCR) und der Harnstoffzumischung (AdBlue) war VW zu teuer!
Da man aber wusste, dass diese billigere AGR-Variante technisch nicht dafür gebaut war, ein Autoleben lang reibungslos zu funktionieren, griff man zu diesem verbotenen Trick: man schaltete die Abgasreinigung nur beim Zulassungstest auf dem Prüfstand (Typengenehmigung) ein und dann komplett weg, sobald das Auto auf der Straße fuhr.
Ganz nach dem Motto: sauber ist das Auto nur beim Test im Labor, nicht jedoch im echten Leben. Damit wurden Sinn und Zweck der gesetzlichen Abgasnormen völlig ausgehebelt, die auf Reduzierung des Schadens in der Umwelt und bei der Gesundheit der Menschen abzielen.
Jahrelang lief alles wie geschmiert
Dank der Manipulation lief jahrelang alles glatt: in den USA wurde 2008 der Jetta Blue TDI Clean Diesel zugelassen, 2009 Tiguan, 2012 Passats. Man forcierte mit massiven Werbekampagnen den „Clean Diesel“: Ein TV- Spot zeigte eine Hausfrau, die als Beweis für den Reinheitsgrad des VW Diesel ein weißes Taschentuch zuerst vor den Auspuff und dann in die Kamera hält: alles blütenweiß.
Im Juli 2012 kamen Volkswagentechniker dieser illegalen Abschalttechnik zufällig auf die Schliche und meldeten sie brav den VW-Vorstandsmanagern Gottweis und Neußer in die VW-Zentrale nach Wolfsburg. Diese verordneten die Geheimhaltung.
Studenten-Test mit alarmierenden Werten
Im März 2014 kamen Studenten der West-Virginia Universität mit Hilfe von Straßentests drauf, dass der „Jetta“ das bis zu 35-Fache des erlaubten Grenzwertes für Abgasüberschreiten, der „Passat“ das bis zu 30-Fache und ein BMW das bis zu 10-Fache.
Beauftragt wurden diese Tests vom europäischen Ableger des „International Council on Clean Transportation“ (ICCT), eines weltweiten Netzwerks für Umweltbehörden. Ironie des Schicksals: ICCT-Europa-Chef Peter Mock wollte beweisen, dass VW es schafft, in den USA saubere Dieselautos zu bauen als in Europa. USA als Vorbild!
Mit Affentest gegen Fakten
Bei VW fing die Vertuschungsmaschinerie an zu laufen. Am 23. Mai 2014 wurde Konzernchef Winterkorn per Hauspost darüber informiert, dass die US Behörden nach der Abschalteinrichtung suchen könnten.
Statt sie abzuschaffen, beschlossen Winterkorn und Co., die Manipulation fortzusetzen und die Behörden weiter zu täuschen. Der Moment war heikel, denn VW bemühte sich gerade um Zulassung der neuesten Generation von Motoren.
Sogar mit einem umstrittenen „Affentest“ versuchte VW die Sauberkeit der deutschen Dieselautosnachzuweisen. Zehn Affen mussten die Autoabgase des VW Beetle einatmen.
Rückruf in USA wurde genutzt, um Manipulation zu perfektionieren
Die kalifornische Zulassungsbehörde CARB beharrte aber auf Aufklärung dieser eklatanten Abweichungen und machte eigene Tests. VW konterte, die CARB-Testverfahren seien falsch. Den CARB-Chef Alberto Ayala nervten die ausweichenden und teils herablassenden Antworten von VW.
Im Oktober 2014 konnte VW Ayala nicht länger gängeln und kündigte einen freiwilligen Rückruf der Autos an, um die Abgase zu senken. Dieser Rückruf startet im Dezember 2014 und zog sich monatelang hin.
VW nutzte ihn dazu, die Betrugssoftware zu optimieren! Eine neue Lenkwinkel-Erkennung wurde eingebaut, sodass die Autos noch präziser wissen, ob sie im Labor oder auf der Straße fahren und rascher umstellen.
Legendärer Porsche-Enkel Piëch geht auf Distanz
Im April 2015 kam es beim Weltkonzern Volkswagen zu einem bemerkenswerten Eklat: Der legendäre Porsche-Enkel, Anteilseigner und Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns, Ferdinand Karl Piëch, ließ über den „Spiegel“ wissen: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“.
Die Beanstandungen der Behörde in den USA waren ihm zu Ohren gekommen. Piëch verlor später den Machtkampf gegen Winterkorn, trat als Aufsichtsratsvorsitzender ab und schied als Miteigentümer aus. Vor seinem als Tod soll vor der Staatsanwaltschaft Braunschweig Winterkorn massiv beschuldigt haben.
Zurück in die USA: Nach dem Rückruf wollte CARB Beweise, dass nun die Grenzwerte eingehalten werden. VW-Ingenieure vor Ort, wussten nicht mehr, was sie auf die bohrenden Fragen antworten sollen. Im Juni 2015 führte CARB, wie angedroht, eigene Tests durch. Sie testeten einen Passat, in den zwar eine neuere Abgastechnik eingebaut worden war, bei dem VW aber auch wieder geschummelt hatte.
US-Behörde teste selber – VW hat in den USA „beschissen“
CARB entdeckte, dass sich die Abgasemissionen plötzlich vervielfachten, sobald man am Prüfstand das Lenkrad bewegte, so als ob man auf der Straße fährt. Die Behörde drohte nun, auch die Dieselfahrzeuge von VW der ersten Generation zu überprüfen, den Jetta und den Tiguan und die Zulassung der neuen Generation zu verweigern.
Wolfsburg wurde am 21. Juli 2015 in einer Task Force über die „Akustikfunktion“ informiert. Auch der für Produktsicherheit zuständige und inzwischen pensionierte VW-Manger sagte später vor Gericht aus, Winterkorn am 27. Juli 2015 telefonisch darüber informiert zu haben, dass VW in den USA „beschissen“ habe. Fakt ist, dass Winterkorn auch nach dem 27. Juli 2015 den Betrug in den USA nicht unterbunden hat. Er ordnete an, die Zulassung der neuen Generation zu forcieren.
Informell gestanden VW Manager Betrug schon Mitte August ein
Anfang August 2015 mussten VW Manager vor Ort dem CARB eingestehen, dass das Software-Update das Abgasproblem nicht bereinigt hat, sie gaben die Existenz illegalerAbschalteinrichtungen aber nicht zu. Den CARB Leuten wurde nun klar, dass VW blanken Unsinn geliefert hatte und wollte die ganz alten Autos zurückrufen.
Am 18. August 2015 gestand VW Manager dem CARB-Chef in einem informellen Treffen, dass illegale Abschalteinrichtungen eingebaut waren, wobei er gegen Anweisungen von oben handelte. Am 24. August wurde Winterkorn in einer Sondersitzung des Ausschusses Produkt-Sicherheit darüber informiert, man beschloss Zusammenarbeit mit Behörden.
Am 31. August beriet man in einem Extra-Meeting bei VW wie man die Existenz von Abschalteinrichtungen kommuniziert.
Erst am 3. September gaben 3 VW Manager vor dem CARB den Betrug nun hochoffiziell zu. Einen Tag später, am 4. September wurde Winterkorn informiert „Wir haben das defeatdevice zugegeben“.
Am 8. September informiert Winterkorn den Vorstand und Aufsichtsrat. Man entscheidet sich für eine „vorübergehende Geheimhaltungspflicht“ weil der Schaden auf 480.000 Fahrzeuge in den USA begrenzt sei.
VW-Konzernboss Winterkorn ordnete Vermögen neu
Im August 2015 fing Winterkorn aber damit an, seine privaten Vermögensverhältnisse neu zu ordnen und seine Privatvilla an eine Kapitalgesellschaft auszulagern. Winterkorn war der mit Abstand am besten bezahlte Top-Manager in Deutschland, hat allein zwischen 2010 und 2015 in Summe 79,4 Millionen Euro an Gagen erhalten (davon 17,4 Mio allein in 2011).
Sein Vertrag lief noch bis Ende 2016 weiter.
Bis heute bekommt er eine Firmenpension von 3.068 Euro: p r o Tag!

