Millionen älterer Dieselautos droht Stilllegung, davon bis zu 1,3 Mio. in Österreich

Schon ab nächstem Jahr droht 10 bis 16 Jahre alten Dieselautos der Entzug der Typengenehmigung und damit die Stilllegung. In Österreich sind bis zu 1,3 Millionen Dieselautos gefährdet, in Deutschland bis zu 7,8 Millionen und europaweit bis zu 15 Millionen. Das ergibt sich aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtshofs Schleswig von 25. September 2025 (4 LB 36/23), das soeben im Wortlaut veröffentlicht wurde. Denn dieses Oberverwaltungsgericht verpflichtet die deutsche Zulassungsbehörde, das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) dazu, Volkswagen zur Entfernung der illegalen Abschalteinrichtungen oder zur Stilllegung zu zwingen.

Zunächst

trifft dieses Urteil zwar nur VW für den Golf Plus TDI (EA 189, Euro 5) in fünf Varianten. Weil es sich aber um ein Musterverfahren für andere Automarken und Hersteller mit ähnlichen rechtswidrigen Abschalteinrichtungen handelt, gegen die die DUH insgesamt 118 Klagen eingebracht hatte, wird es in der Folge auch Audi, Seat, Skoda, Mercedes, Opel, BMW treffen.

Für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist dieses Urteil ein Meilenstein, das in einem acht Jahre lang dauernden Rechtsstreit erwirkt wurde.

„Dieses Urteil hat weitreichende Folgen für Dieselfahrzeuge der Abgasstufen Euro 5 sowie Euro 6a bis 6c mit illegalen Abschalteinrichtungen“,

präzisiert DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch in einer Presseaussendung und fordert den deutschen Verkehrsminister zur raschen Umsetzung auf.

„Das KBA muss die Autohersteller dazu auffordern, diese Autos entweder mit einer Hardware-Nachrüstung rechtskonform zu machen oder sie stillzulegen, beides auf Kosten der Hersteller“,

bekräftigt Dr. Axel Friedrich, der die Klagen der DUH als internationaler Verkehrsexperte maßgeblich unterstützt hat: 

„Diese Autos müssten auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden und die aktuelle Abgasnorm Euro 6d erfüllen, nicht nur die damalige Abgasnorm Euro 5. Da dies technisch kaum möglich ist, vor allem nicht bei älteren und kleineren Autos, müssten wohl die meisten Autos stillgelegt werden“.

Da das KBA diese Software-Updates nicht nur für Deutschland genehmigt hatte, gilt diese „Reparatur der Reparatur“ auch für ganz Europa und darüber hinaus

In Österreich

fallen nach KFZ-Bestandstatistik der Statistik Austria derzeit noch 1,3 Millionen Dieselfahrzeuge in diese Kategorien. Der Witz: einige dieser Autos müssten dann schon zum zweiten Mal zurückgerufen werden, obwohl ihre Besitzer sie seinerzeit brav zum Software-Update in die Werkstätte gebracht hatten!

Anders als von VW behauptet, wurden durch die seinerzeitigen Software-Updates manipulierter VW Dieselautos keineswegs der rechtmäßige Zustand der Autos hergestellt. Es wurde dabei lediglich die sog. „Umschaltlogik“ beseitigt, die dazu geführt hatte, dass die Abgasreinigung nur am Prüfstand im Labor zugeschaltet war, aber auf der Straße stets komplett abgeschaltet wurde, sodass die Autos stets im Dreckmodus unterwegs waren und den gesetzlich erlaubten Grenzwert für das schädliche Abgas Stickoxid um ein Vielfaches überschritten.

Beim damaligen Software-Update wurden von VW zwei andere Abschaltungseinrichtungen eingebaut, die nach Urteil des Oberverwaltungsgerichtshofs eindeutig rechtswidrig sind: das sog. „Thermofenster“ und die sog. „Höhenabschaltung“, die für Österreich besondere Bedeutung hat.

Thermofenster

Nur wenn es draußen zwischen +15 und +33 Grad Celsius hat, funktioniert die Abgasreinigung, ansonsten nicht. Da es überwiegend kältere Monate im Jahr gibt, fahren diese Autos auch nach dem Software-Update die meiste Zeit im Dreckmodus und schleudern mehr schädliche Abgase in die Luft als gesetzlich erlaubt.

Das Gegenargument der Autobauer, dass diese „Thermofenster“ nötig seien, um den Motor zu schützen, zerlegt das Oberverwaltungsgericht in aller Deutlichkeit, wie bereits vorher der Europäische Gerichtshof (EuGH) und die Höchstgerichte in Deutschland (BHG) und Österreich (OGH).

Ein Auto, dessen Abgasreinigung die meiste Zeit im Jahr abgeschaltet werden müsste, um den Motor zu schützen, widerspricht ganz klar dem Ziel der Abgasnorm, weniger Abgase in die Luft zu blasen, die Menschen und Umwelt schädigen. Das Oberverwaltungsgericht präzisiert zudem, dass es schon genügt, wenn ab +10 Grad abgeschaltet wird und nicht erst ab +15 Grad.

Höhenabschaltung

ist weniger bekannt, aber für Österreich besonders relevant: VW Dieselautos mit dem EA 189 Motor schalten die Abgasreinigung ab 1.000 Meter Meereshöhe stets komplett ab. Und zwar immer, Sommers wie Winters, rund um die Uhr und eben auch nach dem Software-Update.

Das in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argument eines VW Sachverständigen, man müsse auf dieser Höhe die Abgasreinigung anpassen, weil sonst aus physikalischen Gründen mehr Stickoxide in die Luft gehen würden, wischte das Oberverwaltungsgericht vom Tisch. Anpassen ja, aber doch nicht komplett abschalten!

Im Urteil des Oberverwaltungsgerichtshofs wird extra auf die besondere Betroffenheit Österreichs hingewiesen, immerhin liegt 40% des gesamten österreichischen Staatsgebietes auf über 1.000 Meter Meereshöhe. Auch Teile Deutschlands, der Schweiz oder auch Südtirols sind von dieser illegalen Höhenabschaltung stark betroffen, insbesondere die Tourismusgebiete, in denen Menschen beim Wandern oder Schifahren Erholung suchen und den Dieseldreck am stärksten abbekommen.

Zusammenfassend

stellt das Oberverwaltungsgericht fest: die sog. „Thermofenster“ und die „Höhenabschaltung“ sind eindeutig rechtswidrig, obwohl sie von der deutschen Zulassungsbehörde „Kraftfahrt-Bundesamt“ (KBA) für die Software-Updates freigegeben wurden. 

Gegen dieses Urteil des Oberverwaltungsgerichtshofs wurde keine Revision zugelassen und auch keine weiteren Sachverständigen-Gutachten. KBA und VW haben ab jetzt zwei Monate lang Zeit, beim Bundesverwaltungsgericht, Beschwerde gegen die Nicht-Zulassung der Revision einlegen.

Aufgrund der glasklaren Begründung dieses Urteils geht die DUH davon aus, dass diese Beschwerde zurückgewiesen wird, sodass dieses das Urteil bereits im Frühjahr nächsten Jahres rechtskräftigt sein wird und vom KBA auch umgesetzt werden muss.

Dieses Urteil ist jedenfalls ein Präzedenzfall für alle anderen anhängigen Klagen der DUH gegen andere Autohersteller, betont Remo Klinger, Rechtsanwalt der DUH.

„Wenn das Bundesverwaltungsgericht die zu erwartende Nichtzulassungsbeschwerde des KBA und Volkswagens zurückweist, werden alle noch anhängigen Verfahren auf dieser Grundlage entschieden. Damit ist endgültig geklärt, dass Millionen Dieselfahrzeuge rechtswidrig auf unseren Straßen unterwegs sind und das KBA gerichtlich gezwungen ist, einzugreifen“