Neun Fehler in der falschen Pressemitteilung Tirols zu Ischgl

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Unbestritten ist, dass die Pressemitteilung der Tiroler Landesregierung vom 5. März 2020 falsch war, die bei den Amtshaftungsklagen gegen die Republik Österreich eine wichtige Rolle spielt.

Folgende neun Fehler beinhaltet die falsche Pressemitteilung Tirols zu Ischgl:

Tiroler Oberlandmehrere Personenersten Erhebungenein BetroffenerAnsteckung erst im FlugzeugAnnahmeaus medizinischer Sicht wenig wahrscheinlich – in Tirol zu Ansteckungenbefand

Abbildung der Pressemitteilung von Land Tirol zu Ischgl (Coronavirus) vom 5. März 2020. Sie beinhaltet Neun Fehler.

Laut dem „Rohrer-Bericht“ war diese Presseaussendung nicht nachvollziehbar, in den Tatsachenaussagen falsch und löste einen „trügerischen Beruhigungseffekt “ aus (Rohrer-Bericht 3.14, Ischgl-Tagebuch Dokument 13). Für das Oberlandesgericht war sie (und die Pressemitteilung 8. März) immerhin mit ein Grund, den Obersten Gerichtshof (OGH) zu befassen. Der OGH bekräftigte zwar in zwei Urteilen (1Ob199/22d vom 15.5.2023, 1Ob88/23g vom 27.6.2023), dass diese Presseaussendung falsch und irreführend ist.

Da sie aber keinen „Vertrauenstatbestand“ festsetze, sondern im „Konjunktiv“ geschrieben wurde und weitere behördliche Abklärungen ankündigte, sei diese Presseaussendung nicht haftungsrelevant. Daher hat der OGH auch nicht weiter überprüft, ob die Behördenorgane versagt haben.

Hier eine genaue Analyse dieser kurzen Pressemitteilung

Diese Pressemitteilung des Landes Tirol ging am Donnerstag 5. März 2020 um 17:18 Uhr hinaus und um 17:35 online. Sie enthält gleich neun Fehler, Ungenauigkeiten und Verschleierungen.

Urteilen Sie selbst, ob mit dieser Mitteilung des Landes Tirol, für die immerhin der ranghöchste Sanitätsbeamte des Landes aufgeboten worden war, versucht wurde, den Eindruck zu erwecken, dass es in Tirol keine Ansteckungen gibt.

Erster Fehler

Dieses Bild zeigt ein Exzerpt der Pressemitteilung Tirols zu Ischgl, welches den ersten der neun Fehler: die Wörter "Tiroler" und "Oberland" durch eine neon rosa Markierung hervorhebt.

Der Begriff „Tiroler Oberland“ ist bewusst vage gefasst. Die zuständigen Behörden in Landeck, Innsbruck und Wien wussten genau, dass alle Isländer geballt an einem einzigen Ort gewesen sind – nämlich in Ischgl.

Statt konkret den Ort der Gefahr beim Namen zu nennen, zielte die Pressemitteilung auf ein viel weiteres Gebiet ab, auf das ganze „Tiroler Oberland“, zu dem auch Ischgl gehört.

Statt die Gefahrenquelle für das Coronavirus auf Ischgl einzugrenzen, wurde sie auf ein Gebiet ausgedehnt, das ein Viertel der Gesamtfläche von Tirol umfasst (3.320 von 12.648 km2), also das Oberinntal samt allen Seitentälern, ausgenommen das Außerfern.

Frage: Wie kommen eigentlich die anderen Teile des Tiroler Oberlandes dazu, mit Covid-19 in Zusammenhang gebracht zu werden, in denen es damals weder erkrankte Isländer, noch sonstige Covid-Fälle gegeben hat, wie etwa das Ötztal, Pitztal, Kaunertal oder Stanzertal?

Nur um Ischgl aus dem Schussfeld zu bringen, tunkte man gleich das ganze Oberland mit ein. So unpräzise wie die Pressemeldung formuliert war, hätten die 14 isländischen Urlauber auch auf das gesamte Oberland verteilt sein können.

Denn an keiner Stelle der Pressemitteilung wurde präzisiert, dass sich alle 14 erkrankten Isländer in ein und demselben Urlaubsort aufgehalten haben.

Zweiter Fehler

Dieses Bild zeigt ein Exzerpt der Pressemitteilung Tirols zu Ischgl, welches den zweiten der neun Fehler: "mehrere" und "Personen" durch eine neon rosa Markierung hervorhebt.

Diese Information ist falsch und erfolgte wider besseren Wissens . Nicht „mehrere“ Personen waren covidkrank, sondern alle 14!

Aus der amtlichen Mitteilung der isländischen Gesundheitsbehörde, die an diesem Tag vom österreichischen Gesundheitsministerium um 15:58 Uhr weitergeleitet worden war, und damit allen zuständigen Behörden in Österreich bekannt war (auch dem Landessanitätsdirektor), ging klipp und klar hervor, alle 14 abgereiste isländische Gäste an Covid erkrankt waren, und nicht „mehrere“ von ihnen. Einziger Zweck dieser bewußten Falschinformation war es wohl, das Problem herunterzuspielen.

Medien wie die APA haben diese Formulierung auch eins zu eins übernommen.

Dritter, vierter, fünfter Fehler

Dieses Bild zeigt ein Exzerpt der Pressemitteilung Tirols zu Ischgl, welches den den dritten, vierten und fünften der neun Fehler: "ersten Erhebungen", "eines Betroffenen" und "Ansteckung erst im Flugzeug" durchneon rosa Markierungen hervorhebt.

Die ersten Erhebungen bestanden darin, dass der Tourismusverband Paznaun-Ischgl bei jener isländischen Reiseleiterin nachfragte, die zuvor in einem Mail an ein Hotel in Ischgl die These der Ansteckung beim Rückflug als Vermutung geäußert hatte. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine behördlichen Erhebungen in dieser Frage.

Dieses Mail der isländischen Reiseleiterin war auch die “schriftliche Information”. Es handelt sich bei dem Betroffenen nicht um einen Mann, sondern um eine Frau. Aufgrund des Vornamens verwechselten die Tiroler ihr Geschlecht.

Die Tiroler Landesregierung hielt in dieser Pressemitteilung wider besseren Wissens an der These fest, die Isländer hätten sich erst am Heimflug angesteckt. Dies, obwohl bei alle Zuständigen in Wien, Tirol und Landeck seit dem Mail des österreichischen Gesundheitsministerium um 15:58 Uhr – also eineinhalb Stunden vor(!) der Versendung der Pressemitteilung um 17:18 Uhr, wussten, dass diese These schlicht und ergreifend falsch ist.

Denn dieser Mail des österreichische Gesundheitsministeriums war klar und offiziell zu entnehmen, dass zwei Isländer bereits vor ihrer Abreise aus Ischgl erkrankt waren (Symptome hatten) und (!) dass die Isländer in zwei verschiedenen Flugzeugen zu verschiedenen Zeiten heimgeflogen waren!

Aus den Unterlagen der Staatsanwaltschaft geht zudem klar hervor, dass der damalige Büroleiter des damaligen Landeshauptmannes und heutige Staatssekretär für Digitales, noch vor Aussendung der Pressemitteilung erkannt und per E-mail angemerkt hatte, dass die Heimflugansteckungsthese nicht zu halten ist. Trotzdem wurde die Falschmeldung publiziert.

Sechster, Siebenter, Achter Fehler

Dieses Bild zeigt ein Exzerpt der Pressemitteilung Tirols zu Ischgl, welches den sechsten, siebenten und achten der neun Fehler: die Wörter "Annahme", "aus medizinischer Sicht wenig wahrscheinlich" und "in Tirol zu Ansteckungen" durch neon rosa Markierungen hervorhebt.

Der Landessanitätsdirektor der Landes Tirol stützt sich bei seiner Bewertung auf eine Prämisse, von der er zu diesem Zeitpunkt wusste, dass sie falsch ist.

Aufbauend auf dieser falschen Prämisse (Ansteckung am Heimflug) kommt der oberste Sanitätsbeamte Tirols logischereweise zu einem Trugschluß (Keine Ansteckung in Tirol) .

Im zweiten Teil dieses Satzes wird als Tatsache festgestellt, dass es in Tirol zu keinen Ansteckungen gekommen ist. Das stimmt nicht, denn zum Zeitpunkt dieser Pressemitteilung stand ja amtlich fest, dass zwei der 14 Isländer schon in Ischgl erkrankt sind und es somit bereits Ansteckungen in Tirol bereits gegeben hat.

Dazu kommt, dass es an diesem Tag bereits einen aktuellen Covid-Fall im Bezirk Landeck gegeben hat, zu dem Ischgl gehört: einen erkrankten norwegischen Studenten in Pettneu.

Über diesen Fall hatte am frühen Nachmittag ebenfalls Landessanitätsrat Franz Katzgraber in einer Pressemitteilung informiert. Dieser Student war zuvor in Ischgl und im Kitzloch gewesen.

Bei Gesamtbetrachtung der Gefahrensituation konnte man keinesfalls die Behauptung aufstellen, dass es in Tirol zu keinen Ansteckungen gekommen ist! Das Virus war in Ischgl bereits angekommen!

Neunter Fehler

Dieses Bild zeigt ein Exzerpt der Pressemitteilung Tirols zu Ischgl, welches den neunten der neun Fehler: das Wort "befand"durch eine neon rosa Markierung hervorhebt.

Was im ersten Teil dieser Aussendung noch in der Möglichkeitsform (Konjunktiv) geschrieben worden war („dürfte sich“ die Ansteckung erst im Flugzeug), wird mit der Behauptung untermauert, dass sich ein coviderkrankter und aus Italien kommender Fluggast sich an Bord „befand“.

Diese Behauptung wird als Fakt dargestellt. Das ist sie aber nicht.

Denn aus den Unterlagen der Staatsanwaltschaft geht hervor, dass jene Reiseleiterin, die eine Ansteckung am Flieger vermutete, auf Nachfrage nicht mehr die Fluglinie als Informationsquelle nennt, sondern isländische Zeitungsberichte.

Der „Rohrer-Bericht“ merkte dazu bereits kritisch an, dass diese Behauptung nie überprüft wurde, auch nicht später (Tagebuch Dokument 13).

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