Steuergeld verschleudert – Die 10 ärgsten Todsünden

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Wer die 200 Seiten Rechnungshofbericht über die Covid-Hilfen der Regierung durchackert, dem steigen die Grausbirnen auf. Hier wurde Steuergeld mit vollen Händen verschleudert. Schwammige Vorgaben und fehlende Kontrollen luden vor allem große Unternehmen ein, sich kräftig aus den Steuertöpfen zu bedienen – und das völlig legal! Ein Beherbergungsbetrieb schaffte es als höchsten Betrag, gleich 13,94 Millionen Euro aus vier Fördertöpfen zu ergattern, eine internationale Handelskette mit 47 Filialen kam auf 16 Fördermillionen. Eigentliches Ziel wäre es gewesen, Pleiten von Firmen durch und während der diversen Lockdowns zu verhindern. Das wurde völlig verfehlt, einige machten höhere Gewinne als je zuvor. Es wurde gegen die EU-Beihilferegelungen und die Geschäftsordnung des Finanzministeriums verstoßen. Statt eigene, kompetente Beamten heranzuziehen, lagerte das Kabinett des Finanzministers Blümel die erste Hilfsaktion an die extra gegründete COFAG aus, die für teures Geld wiederum externe Berater und Wirtschaftstreuhänder beschäftigt. Später lief das meiste über das Kabinett. Dort herrschte bis zuletzt das Chaos .Aus dem Rechnungshofbericht habe ich die 10 ärgsten Todsünden bei insgesamt sieben Fördertöpfen herausgegriffen und versucht, verständlich zu machen, wie hier unsere Steuergelder in großem Stil an große Unternehmen umverteilt wurden.

Dieses Bild zeigt Hundert-Euro Geldscheine die über die Kante einer Laptoptastatur gezogen werden

Todsünde Nummer 1: Eigentliches Ziel verfehlt

Das eigentliche Ziel war es zu verhindern, dass Unternehmen wegen der verordneten Lockdowns pleite machen, weil sie entweder kein Geld mehr haben oder sich überschulden. Nur aus diesem Grunde sind laut EU Beihilfen überhaupt gestattet. Doch bei den COVID-Hilfen, die durch die COFAG verteilt wurden, musste man keine echten Schäden nachweisen und man kümmerte sich auch nicht darum, ob diese Unternehmen nicht schon vor Beginn der Pandemie (Ende 2019) eigentlich pleite gewesen sind. Manche Unternehmen machten dank üppiger COVID-Hilfen sogar noch höhere Gewinne als vor COVID. Laut Rechnungshof verstößt das gegen EU-Beihilferecht. Frage: gibt es jemanden, der dagegen rechtlich vorgehen wird?

Todsünde Nummer 2: Unternehmen nicht als Ganzes betrachtet

Bei den Beihilfen wurde jede einzelne Filiale (sofern rechtlich selbstständig) für sich betrachtet und jede für sich konnte den höchstmöglichen Hilfsbetrag bekommen. Bis auf einen einzigen Fördertopf (Fixkostenzuschuss I) gab es keine Höchstgrenze für alle Filialen, die zum selben Unternehmen gehörten. Dort, wo es überhaupt eine Obergrenze gab – beim Fixkostenzuschuss I – war sie mit 90 Millionen Euro so hoch bemessen, dass sie keiner erreichte. Der Mediamarkt mit seinen 47 Filialen schoss mit 16 Millionen Euro Zuschuss den Vogel ab. Auch in einen Familienbetrieb in Tirol, dessen Autohäuser als eigenständige Filialen organisiert sind, sind nach meinen Berechnungen mindestens 3,8 Millionen an Beihilfen geflossen.

Todsünde Nummer 3:  Von „Umsatzersatz“ profitieren die Größten am meisten

Die meisten ausgezahlten Beihilfen knüpften am Umsatz an und nicht am tatsächlich erlittenen Schaden. Umsatz ist das, was durch den Verkauf der Waren oder der Dienstleistung hereinkommt. Bei den meisten COVID-Beihilfen bekamen die Unternehmen vom Staat ein Geldgeschenk ausgezahlt, den sogenannten „Umsatzersatz“. Das ist ein bestimmter Prozentsatz jenes Umsatzes, den sie vor Covid erreicht hatten. Je größer dieser Umsatz gewesen ist, desto höher dieser Zuschuss. Ein Umsatzersatz von 70% bedeutet für eine kleine Würstelbude mit 10.000 Euro Umsatz ein Geschenk von 7.000 Euro. Für ein Autohaus mit 10 Millionen Umsatz sind das gleich 7.000.000 Euro, also 7 Millionen Euro als Geschenk – auf die Kralle! Allein bis Mitte Juni 2021 bekamen ein Prozent der Unternehmen jeweils mehr als 500.000 Euro an Zuschüssen ausbezahlt (zusammen 25% der Auszahlungssumme)(

Todsünde Nummer 4: Echter Umsatzentfall spielt keine Rolle

Damit man den Umsatzersatz bekommen konnte, war es nur wichtig, direkt vom Lockdown betroffen zu sein oder mindestens 30 oder 40 Prozent weniger Umsatz zu haben als im selben Monat im Jahr vor der Pandemie. Dann bekam man einen fixen Prozentsatz als Umsatzersatz, völlig unabhängig davon, wieviel der Umsatzverlust tatsächlich ausmacht. Es kam nur darauf an, zu welcher Branche man gehörte. So bekamen alle Beherbergungsbetriebe im November 2020 den höchsten Umsatzersatz, nämlich 80%. Andere Handelsbetriebe mussten dagegen mit einen Umsatzersatz von 20 % vorlieb nehmen. Allein für November wurden an 110.000 Betriebe Beihilfen von insgesamt 2,26 Mrd. Euro gewährt. Im Dezember 2020 lag der Umsatzersatz für Hotels noch bei 50 %, bei  Handelsbetrieben bei mindestens 12,5%. Diesmal wurden an 105.000 Betriebe nocheinmal insgesamt 1 Milliarde Euro verteilt. Als Schmankerl am Rande konnten Mischbetriebe, z.B. Konditoreien, wählen, ob sie sich überwiegend zur Gastronomie (Cafè) zählen, wo sie mehr für sie drinnen war oder zum Handel (Bäckerei), wo weniger zu holen war.

Todsünde Nummer 5: Mehrere Töpfe durften gleichzeitig angezapft werden

Zusätzlich zu Umsatzersatz und Fixkostenzuschuss I durften die Firmen auch noch Kurzarbeitsgeld für ihre Mitarbeiter kassieren, ganz legal! So konnten die Hotels und Handelsfirmen die Personalkosten für ihre Mitarbeiter bis zu 90% auch noch dem AMS umhängen – trotz Millionen Zuschüsse durch den Umsatzersatz. So brachte es ein Beherbergungsbetrieb in Summe auf 13,94 Millionen Zuschüsse! Mit anderen Worten: die Personalkosten wurden gleich mehrfach gefördert und Kosten ersetzt, die gar nicht angefallen sind. Allein dadurch, so der Rechnungshof, kam es zu einer „systematischen Überförderung“ die allein bei 50 nachgerechneten Unternehmen 29 Millionen Euro ausmachten.

Todsünde Nummer 6:  Online-Verkauf oder „take away“ schmälern Beihilfen nicht

Händler und Gastbetriebe haben den vollen Umsatzersatz auch dann bekommen, wenn sie während des Lockdowns ihre Waren online oder über Selbstabholung verkauften. Denn die Umsätze, die durch Online-Verkäufe und „take aways“ erwirtschaftet wurden spielten keine Rolle und wurden nicht gegen vom gewähren Umsatzersatz abgezogen. Am besten stieg aus, der sein – ohnehin überwiegend vom AMS bezahltes Personal – während des Lockdowns dazu nutzte, möglichst viel Waren und Speisen via Online oder Straßenverkauf an den Mann oder die Frau zu bringen. Mediamarkt bekam seine 16 Millionen, obwohl der Online-Handel gerade im Lockdown so richtig blühte!

Todsünde Nummer 7: Höhere Beihilfen durch geschickte Steuerung von Umsätzen

Bei einigen Fördertöpfen (Fixkostenzuschuss I) gab es keine fixen Umsatzersätze für Branchen. Hier kam es darauf an, wie stark die Umsätze tatsächlich gesunken sind. Je höher der Umsatzschwund, je höher der Umsatzersatz, sprich Zuschuss. Soweit so gut. Dabei konnten Unternehmen selbst zwischen 7 und 10 verschiedenen Monaten auswählen, für die sie Hilfen beanspruchten. Es gab klare Hinweise, dass sich Unternehmen durch geschicktes Verlagern von Umsätzen jeweils höhere Zuschüsse sichern konnten. Im Geschäftsleben ist es ja möglich, Rechnungen oder Zahlungen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, sodass in gewissen Monaten die Umsätze besonders stark sinken. Diese Optimierungen rund um die höheren Schwellenwerte sind im Finanzministerium sogar aufgefallen, aber niemand kam auf die Idee, hier etwas zu ändern. Allein beim Fixkostenzuschuss I kam es durch diese Optimierungen zu Mehrausgaben von 101 bis 117 Millionen, die verhindert werden hätten können.

Todsünde Nummer 8:  Verbot von Gewinnausschüttung leicht zu umgehen

Beim Fördertopf „Verlustersatz“ war es zwar verboten, gleichzeitig hohe Gewinne an die Eigentümer auszuschütten oder den Managern einen besonders hohen Bonus zu zahlen. Doch diese Vorschriften waren leicht zu umgehen. Etwa wenn man die Gewinne an eine übergeordnete Organisation ausschüttete, die selbst keine Beihilfen bezog. Oder wenn die Manager nachweisen konnten, dass  ihre Boni schon vorher vereinbart worden ist.

Todsünde Nummer 9:  Kompetenz der eigenen Beamten völlig ignoriert

Bei der Ausarbeitung der Richtlinien für die COVID-Hilfen verzichtete Finanzminister Blümel auf den Beamtenapparat in seinem Ministerium, den es genau dafür gibt und der das nötige Wissen dafür hat. Der Finanzminister befasst damit sein Kabinett. Obwohl dort viele gut bezahlte Mitarbeiter beschäftigt waren, lagerten die Kabinettsmitarbeiter die Erarbeitung der Richtlinie für die erste Hilfsaktion (den Fixkostenzuschuss I) an die COFAG aus. Diese wurde extra für COVID-Hilfe neu gegründet, obwohl es bereits genug Institutionen gibt, die es gewohnt sind, ähnliche Staatshilfen abzuwickeln. Doch auch die COFAG machte die Arbeit nicht selbst, sondern beauftragte damit einen Rechtsberater A. und in der Folge eine eigene Steuerberatungskanzlei. Bei der Abschätzung, wie der Fixkostenzuschuss I von den Unternehmen beansprucht werden würde, haute das Kabinett Blümel kräftig daneben: statt 8 Milliarden Euro wurden nur 967,75 Millionen abgeholt.

Todsünde Nummer 10: Chaos und Zettelwirtschaft im Kabinett, keine Folgeabschätzungen

 Erst später wurde die Ausarbeitung der Richtlinien für den Umsatzersatz und den Ausfallbonus wieder vom Kabinett übernommen, das aber selbst nach Fortdauer der Pandemie noch immer keine professionelle Projektorganisation aufzustellen in der Lage war und noch immer die Hilfe auf die Hilfe der Ministeriumsbeamten verzichteten. Obwohl es um die Verteilung von über 12 Milliarden ging, herrschte hier das Chaos, ohne fixe Aufgabenverteilung, ohne fixe Zuständigkeiten und ohne Dokumentation. Es fehlte ein begleitendes Monitoring über die Wirkungsweise der Hilfen. Nachdem die Abschätzung der Folgekosten für den Fixkostenzuschuss I dermaßen daneben ging, verzichtete das Kabinett Blümel bei allen nachfolgenden Fördertöpfe auf solche Schätzungen, die aber vorgeschrieben sind.