Mut statt Wut – Gigaliner

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25 Meter lange und 60 Tonnen schwere Lkw hätten nach Willen einer massiven EU-Lobby auf Europas Straßen zugelassen werden sollen, um ein Drittel schwerer und länger als übliche Lkw. Kein Spaß, solche Kolosse im Tunnel zu überholen.  Ciao Sicherheit, wenn sie auf Leitschienen prallen. Programmierte Megastaus, wenn sie  bei Schnee, Pannen oder Unfällen den Verkehr stundenlang blockieren. In Österreich hätten die heimischen Autobahnen extra ausgebaut werden müssen. 5,4 Milliarden Euro hätte das gekostet. Zur Hypo-Alpen-Adria noch eine Mega-Belastung mehr für geplagte Steuerzahler?

Damit nicht genug: Die Milliarden Euro, die Österreich in den unterirdischen Brennerbasistunnel für die Bahn buttert, wären für die Katz`gewesen. Wer käme auf die Idee, Güter mit der Bahn zu transportieren, wenn die Straße wirtschaftlich viel günstiger wird? Denn der ultimative Vorteil – und zugleich die größte Gefahr – der Gigaliner ist: sie machen Lkw-Frachten so exorbitant billiger, dass Güter wieder massiv von der Bahn auf die Straße zurückverlagert werden.  Wenn statt drei Lkw nur zwei fahren müssen, braucht es eben weniger Fahrer, weniger Benzin, usw. und die Kosten sinken.

Dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments die grenzüberschreitende Fahrt der Gigaliner nun doch noch gestoppt haben, ist kein Zufall. Selbst die Politiker im fernen Brüssel haben kapiert, dass die Bevölkerung solche Lkw-Monster einfach nicht will, egal wie stark die Lobby dafür ist! Es wurde Widerstand geleistet. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe hat sich – schon vor Jahren – in Österreich und in Europa vernetzt. Eine ungewöhnliche Allianz von Akteuren, die sich sonst nicht immer grün sind: die Gewerkschaft Vida, Bahn-und Umweltorganisationen, Wirtschaftsvertreter, Autobahnbetreiber und  – ja – auch Autofahrerclubs.

Im Transitland Österreichs waren 94% der Bevölkerung massiv dagegen. Von Anfang an kam es daher zu einem Schulterschluss mit heimischen Politikern, allen voran mit Verkehrsministerin Doris Bures. Der SPÖ-Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Jörg Leichtfried machte den Kampf gegen Gigaliner zu seinem Top-Thema und schaffte es auch, im Verkehrsausschuss als Berichterstatter seine Linie zu verteidigen. Bis auf Angelika Werthmann vom BZÖ haben alle EU-Abgeordneten aus Österreich in Brüssel letzlich gegen die Straßen-Monster gestimmt.

Die Gigaliner-Gegner haben sich in Brüssel vorerst durchgesetzt. Dieses Beispiel zeigt erstens, dass sich Widerstand auszahlt. Zweitens, dass Politiker in Brüssel nicht irgendwelchen Lobbyisten hilflos ausgesetzt sind, sondern gut beraten sind, auf die Wähler in ihrer Heimat zu hören. Drittens zeigt sich aber auch, dass der Widerstand  breit vernetzt, nachhaltig organisiert und auf Fakten gestützt sein muss, um beinharte Lobbyisten ausstechen zu können. Mut und Entschlossenheit eben, aber keine aktionistischen Wutaktionen.

Der Lobbyismus Pro-Gigaliner ist wahrlich nicht schwach gewesen. Immerhin hat der zuständige EU-Kommissar auf Druck der Frächterlobby zuerst probiert, die bestehende Richtlinie einfach um zu interpretieren. Er befand, dass grenzüberschreitende Fahrten zwischen zwei angrenzenden Mitgliedsstaaten schon mit der jetzigen Richtlinie erlaubt seien. Als dem Parlament seine eigenmächtige Interpretation zu weit ging, wollte Kommissar Sim Kallas sie mit einem Kraftakt – per Gesetz – durchsetzen.

Dieses Gesetzesvorhaben hat das Europäische Parlament nun abgeschmettert. Bis 2016 muss die Kommission die Situation überprüfen und einen Bericht vorlegen. Sollte die Kommission dann wieder auf die Idee kommen, die XXL-Lkw entfesseln, müsste sie eine umfassende Abschätzung aller Folgen auf Umwelt, Infrastruktur, Modal Split und internationalen Wettbewerb vorlegen.

Es gilt, weiter wachsam zu bleiben und die Kandidaten zum Europäischen Parlament daran zu messen, ob sie auch in Brüssel die fundamentalen Interessen ihrer Heimatländer vertreten.