Autor: lyn

Mag. Lydia Ninz, geboren in Südtirol, lebt in Wien. Die studierte Betriebswirtin (WU-Wien) und erfahrene Wirtschaftsredakteurin (APA, Der Standard) arbeitete neun Jahre als Presse-sprecherin und engagierte Interessens-vertreterin, bevor sie ins Top-Management wechselte und zur Vorsitzenden der Geschäftsführung bzw. zur Generalsekretärin  des Autofahrerclubs ARBÖ aufstieg. 2014 kehrt die leidenschaftliche Journalistin zu ihren journalistischen Wurzeln zurück.

Hersteller wussten schon 2006, dass Abschalteinrichtungen illegal sind

| 17.11.2022 | Wirtschaft

Audi, VW, Daimler und BWW wussten nachweislich schon 2006, dass Abschalteinrichtungen illegal sind, die bei Dieselautos die Abgasreinigung auf der Straße reduzieren und auf dem Prüfstand voll funktionieren. Die Zulieferfirma Bosch hatte ihnen schon damals 44 verschiedene Varianten von Betrugssoftware detailliert aufgelistet und auf das Rechtsrisiko hingewiesen. Das belegen interne Protokolle, die der deutschen Umwelthilfe (DUH) zugespielt und heute in einer Pressekonferenz vorgelegt wurden. „Sie wussten ganz genau, dass sie mit dem bewussten Ausschalten einer funktionierenden Abgasreinigung ein rechtlich verbotenes Verhalten eingehen“, betonte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch „Das war ein ganz klar angelegter Betrug“ bekräftigt Dr. Axel Friedrich, der maßgebende Technik-Doyen bei der Aufdeckung des Abgasskandals.

Dr. Axel Friedrich
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EuGH gibt Weg frei für Millionen Klagen

| 08.11.2022 | Wirtschaft

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) katapultiert mit seinem Urteil vom 8. November 2022 (C-873/19) den Abgasskandal in neue Dimensionen und stärkt Verbraucherklagen den Rücken. Konkret hat der EuGH der Deutschen Umwelthilfe (DUH) den Weg frei gegeben für 119 Klagen gegen die deutsche Zulassungsbehörde. Diese hat Millionen von Dieselautos in ganz Europa zugelassen, obwohl deren Abgasreinigung (AGR) überwiegend ausgeschaltet bleibt, darunter auch alle VW Betrugsdiesel nach dem Software-Update. Deutlich wie nie hat der EuGH bekräftigt, dass Autos mit solch temperaturabhängigen Abschalteinrichtungen („Thermofenster“) jedenfalls illegal sind, wenn sie dafür sorgen, dass die Abgasreinigung die meiste Zeit im Jahr („überwiegend“) nicht voll funktioniert. Am Zug ist nun die deutsche Justiz. Kommt die DUH mit ihren Klagen durch – womit aufgrund der bisherigen EuGH-Urteilen eigentlich zu rechnen ist – wären aber europaweit Millionen von Dieselautos plötzlich ohne Zulassung, auch in Österreich. Sie müssten entweder auf Kosten der Hersteller mit Hardware nachgerüstet oder womöglich verboten werden, prognostiziert Dr. Axel Friedrich, der mit seinen Messungen und seiner technischen Expertise die treibende Kraft hinter den DUH-Klagen war und ist.

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Steuergeld verschleudert – Die 10 ärgsten Todsünden

| 03.11.2022 | und Sonstiges, Wirtschaft

Wer die 220 Seiten Rechnungshofbericht über die Covid-Hilfen der Regierung durchackert, dem steigen die Grausbirnen auf. Hier wurde Steuergeld mit vollen Händen verschleudert. Schwammige Vorgaben und fehlende Kontrollen luden vor allem große Unternehmen ein, sich kräftig aus den Steuertöpfen zu bedienen – und das völlig legal! Ein Beherbergungsbetrieb schaffte es als höchsten Betrag, gleich 13,94 Millionen Euro aus vier Fördertöpfen zu ergattern, eine internationale Handelskette mit 47 Filialen kam auf 16 Fördermillionen. Eigentliches Ziel wäre es gewesen, Pleiten von Firmen durch und während der diversen Lockdowns zu verhindern. Das wurde völlig verfehlt, einige machten höhere Gewinne als je zuvor. Es wurde gegen die EU-Beihilferegelungen und die Geschäftsordnung des Finanzministeriums verstoßen. Statt eigene, kompetente Beamten heranzuziehen, lagerte das Kabinett des Finanzministers Blümel die erste Hilfsaktion an die extra gegründete COFAG aus, die für teures Geld wiederum externe Berater und Wirtschaftstreuhänder beschäftigt. Später lief das meiste über das Kabinett. Dort herrschte bis zuletzt das Chaos .Aus dem Rechnungshofbericht habe ich die 10 ärgsten Sünden bei insgesamt sieben Fördertöpfen herausgegriffen und versucht, verständlich zu machen, wie hier unsere Steuergelder in großem Stil an große Unternehmen umverteilt wurden.

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Agrarier zahlen keine CO2 Steuer auf Diesel

| 15.10.2022 | Wirtschaft

Auf Benzin und Diesel wurde seit Anfang Oktober zusätzlich die CO2 Steuer draufgepackt, obwohl dadurch die galoppierende Teuerung noch mehr Tempo bekommt und vielen Menschen das Leben schwer macht. Eine Ausnahme hat die schwarz-grüne Regierung  dabei gemacht: die Agrarwirtschaft braucht diese Zusatzsteuer nicht zahlen und spart sich damit 130 Millionen Euro pro Jahr. Warum den sogenannten Bauern zum zweiten Mal in diesem Jahr eine niedrigere Mineralölsteuer gewährt ist, ist nur mit schwarzer Klientelpolitik zu erklären, der sich die Grünen unterwerfen.

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59 Millionen “Körberlgeld” auf Kosten der Autofahrer?

| 06.10.2022 | Wirtschaft

Erst in zwei oder drei Wochen darf sich die neue CO2 Steuer auf Diesel und Benzin auf Österreichs Autofahrerinnen und Autofahrer auswirken. Wenn nicht, kommt es zu einem ungerechtfertigten „Körberlgeld“ auf Kosten der Autofahrer, das stolze 39 bis 59 Millionen Euro ausmachen kann. Die Regierung ist aufgefordert, die Spritpreise sehr rasch und sehr genau zu beobachten und dieses Spiel zu unterbinden! Wer ausgerechnet in Zeiten grassierender Teuerung alles tut, um diese Teuerung weiter zu befeuern, sollte wenigstens dazu imstande sein,  die ärgsten Auswüchse zu verhindern!

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7 Jahre Dieselskandal

| 18.09.2022 | Wirtschaft

Im siebten Jahr VW Dieselskandals hat der Europäische Gerichtshof alle Arten von Abgasbetrügereien zwar unmissverständlich verurteilt. Dennoch warten in Österreich die Kläger in der Warteschlange, während die Autos die beste Bergluft verpesten. Jedes Kind kennt das Spiel mit der Holzpuppe „Babuschka“. Schraubt man sie auseinander, kommt eine kleinere Puppe zum Vorschein, dann noch eine und noch eine. Genauso zeigt sich der VW Dieselskandal im siebten Jahr: Aus einem Skandal entwickelt sich der anderer, daraus der nächste usw. usw. Im Unterschied zu den schrumpfenden Holzpuppen, werden diese Skandale immer größer.

Der Ur-Skandal bestand darin, dass der VW Konzern die Abgasreinigung in Diesel-PKW nur bei der Zulassung (Typisierung) aktivierte und sie – mit einer eigenen Schaltvorrichtung – auf der Straße abschaltete. Somit schleuderten sie das Fünf- bis Siebenfache der gesetzlich erlaubten Menge Stickoxid in die Luft. Das ist ein gesundheits- und umweltschädliches Abgas, das die Lungen und Herzen der Menschen angreift und zusammen mit anderen Schadstoffen zuviel Ozon im Sommer und zuviel Feinstaub im Winter produziert.

Dank der konsequent arbeitenden US-Umweltbehörden flog der VW Dieselskandals am 22. September 2015 auf. In der Folge kamen in Europa haarsträubende Missstände ans Tageslicht, allen voran ein systematisches Versagen der deutschen Zulassungsbehörde und der Politik. Jene deutsche Behörde, die den Beschiss jahrelang übersehen hatte, rief zwar 8,5 Millionen Dieselautos zu einem Software-Update zurück. Dabei wurde dem Konzern – mit Rückendeckung der deutschen Regierung – nicht einmal vorgeschrieben, dass und um wieviel die viel zu hohen Abgasemissionen dabei gesenkt werden müssen. Dieselbe Behörde wusste von Anfang an, dass der Konzern gegen Europäisches Recht verstoßen hatte, schaute aber dennoch tatenlos zu, wie VW Anwälte vor Gericht genau dieses Faktum jahrelang bestritt.

Bei diesen Software-Updates, die sich über zwei Jahre hinzogen, wurde lediglich diese Umschaltung entfernt, sodass die Autos nicht mehr in zwei verschiedenen Betriebsmodi fuhren. Es blieb aber dabei, dass die Abgasreinigung nur bei ganz bestimmten Außentemperaturen voll funktionierte, zwischen +15 und 33 Grad Celsius. Diese Bandbreite wurde irreführenderweise als „Thermofenster“ bezeichnet, obwohl der Ausdruck „Betrugsfenster“ (Copyright Dr. Axel Friedrich) zutreffender ist. Klar, dass diese Autos durch das Update kaum sauberer wurden!

Sobald es draußen noch wärmer oder kälter wurde, blieb die Abgasreinigung der Autos aber weiterhin ausgeschaltet. Für Österreich mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 7,4 Grad bedeutet das, dass sie den Großteil des Jahres im Dreckmodus unterwegs waren und noch immer sind. Erschwerend kommt hinzu,  was erst heuer durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)  einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde: bei diesen manipulierten VW Autos mit dem Betrugsmotor EA 189  wird die Abgasreinigung auch bei über 1.000 Meter Meereshöhe systematisch abgeschaltet. Das Land der Berge hat damit buchstäblich die Arschkarte gezogen. Denn in den 136 Städten Österreichs, die über 1.000 Meter hoch liegen, fahren all diese Autos das ganz Jahr über im Schmutzmodus, nicht nur im Winter. Ausgerechnet in höhergelegenen Orten, wo Einheimische und Gäste beim Skifahren, Wandern und Radeln Erholung suchen, verschmutzen Dieselautos die wunderschöne Gegend. Der Großteil dieser Orte (84) befinden sich in Tirol, wie Ischgl, Galtür, Innervielgraten.

Der nächste Skandal spielte vor Gericht: VW und ihrer Armada von Anwälten gelang es, technisch unbedarften Richtern weis zu machen, dass man in Europa die gesetzliche vor geschriebenen Grenzwerte nur beim Zulassungstest einhalten müsse und nicht auf der Straße. Bis 2020 hat es gedauert, bis hier der EUGH dieses Märchen vom Tisch fegte und festlegte, dass man die Abgasreinigung keinesfalls aufgrund irgendwelcher Kriterien einfach abschalten darf. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Gericht blitzten heuer auch alle anderen Autohersteller wie Mercedes, Opel, BMW ab. Sie hatten in ihre Dieselautos zwar keinen Extra- Umschaltlogik eingebaut wie VW, aber ebenfalls solche temperaturabhängige „Thermofenster“. Sie hatten diese „Thermofenster“ mit dem Schutz des Motors begründet. Auch diese Ausrede wischte der EuGH nun definitiv vom Tisch.

Die Mühlen der Justiz haben also gemahlen, auf EU-Ebene kam es definitiv zum Durchbruch. In den einzelnen Mitgliedsländern blieb der Gerichtsweg für klagende Käufer trotzdem sehr steinig und holprig. Der deutsche Bundesgerichtshof ( BGH) sah „Thermofenster“ zum Schutz des Motors für zulässig. Für alles musste gekämpft werden: für die Deckung der Rechtschutzversicherung, die oft nicht bereit waren, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Gegen gerichtliche Sachverständige, die sachlich nicht haltbare Expertisen ablieferten und die Richter noch zusätzlich verwirrten. Es kam zwar zu grenzüberschreitenden Sammelklagen, wie bei der deutschen Musterfeststellungsklage gegen VW, an denen sich auch Österreicher mit Hilfe des Verbraucherschutzvereins (VSV) beteiligten. Bei den ausschlaggebenden Vergleichsverhandlungen wurden diese Österreicher als Ausländer jedoch ausgegrenzt. Jene 600, die durchhalten, müssen sich jetzt bis 2024 gedulden, bis deutsche Gerichte ihre Fälle nach österreichischem Recht abhandeln.

 In Österreich blieben die Sammelklagen des Vereins für Konsumentenschutz (VKI) für 10.000 Geschädigte blockiert, weil man auf den EUGH wartete. Diese Urteile sind zwar seit Monaten veröffentlicht, dennoch verharren die Verfahren in der Warteschlange. Über Vergleichsangebote ist nichts bekannt – Österreichs brave VW Käufer dürfen sich als Kunden zweiter Klasse betrachten.

Am Beispiel VW Skandal wurde das herrschende Ungleichgewicht zwischen Konzernen und den Käufern sichtbar: während für die Typisierung eines Autos eine einzige Zulassungsbehörde für ganz Europa ausreicht, ist der Konsumentenschutz völlig zersplittert. Während die einen im Porsche davonbrausen, zuckeln die anderen mit einem Puch 500 hintendrein. Verbraucherschutzorganisation mit Klagrechten, schöpfen diese gar nicht oder nur teilweise aus, weil sie am Gängelband von Regierungen hängen. Unabhängige Verbraucherschutzorganisationen haben diese wichtigen Verbandsklagrechte nicht und müssen mit Hilfe von Prozessfinanzierungsmodellen mühsam versuchen, das Bestmöglichste herauszuholen.

Der größte Skandal ist aber, dass man die schlimmen Umweltfolgen des immer breiter gewordenen Abgasskandals in keiner Weise beseitigt hat. Beharrlich wird ignoriert, dass Millionen von Dieselautos in Europa noch immer im Dreckmodus unterwegs sind. Während etwa in Israel darüber verhandelt wird, wieviel der Staat für die dadurch verursachten Mehr-Schadstoffe zahlen muss, hat sich Österreich für einen höchst bequemen Weg entschieden und dabei legale EU-Schlupflöcher genützt. Unglaubliche 439.780 Tonnen Stickoxid wurden laut Umweltbundesamt (Austria’s Invesntory Adjustment Report 2021) in zehn Jahren (2010 bis 2019) durch manipulierte Dieselautos zusätzlich in unsere Luft geschleudert. Sie wurden aus der offiziellen Statistik mit einem Federstrich entfernt, auch unter Verantwortung der grünen Umwelt- und Verkehrsministerin, dies sich offenbar nicht darum schert, wie es um unsere echte Luft bestellt ist.

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Sozialer Sprengstoff an der Zapfsäule

| 25.08.2022 | und Sonstiges, Wirtschaft

Mein Gastkommentar in der Wiener Zeitung

“Europas Raffinieren haben seit Kriegsbeginn ihre Netto-Gewinnmargen fast verdreifacht, stellte die Österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) fest. Seit Februar verteuerte sich ein 50 Liter-Tank für Diesel um 24,60 Euro, für Benzin um 25,80 Euro. Davon ist etwas mehr als die Hälfte auf gestiegene Rohölpreise zurückzuführen, der Rest auf saftigere Brutto-Margen der Raffinerien. Dass die BWB keinen Verstoß gegen Wettbewerb fand, liegt auf der Hand. “

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Österreich kann gegen Raffinerien als Kriegsgewinnler vorgehen

| 22.08.2022 | Wirtschaft

Europas Raffinieren haben seit Kriegsbeginn ihre Netto-Gewinnmargen fast verdreifacht. Das hat die Branchenuntersuchung der Österreichischen Bundes-Wettbewerbsbehörde (BWB) ergeben. Von Februar bis Anfang Juni hat sich eine 50 Liter-Tankfüllung Diesel um 24,60 Euro verteuert (Benzin um 25,80 Euro). Davon sind 13,20 Euro auf höhere Rohölpreise und 11,40 Euro auf dreifach gestiegene Brutto-Margen der Raffinerien zurückzuführen. Dass die BWB dennoch keinen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht feststellt, liegt auf der Hand. Denn zwischen den Raffinerien gibt ohnehin nur einen eingeschränkten Wettbewerb, der in Österreich sogar noch eingeschränkter ist als in Deutschland. Meiner Meinung nach könnte Österreich dagegen etwas tun, wenngleich es sicherlich sinnvoll ist, dass die BWB den Ball an die Europäische Kommission weiterzuspielt .

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Im Gebirge sind Abgasautos stets im Dreckmodus unterwegs

| 14.08.2022 | Wirtschaft

Im Gebirge sind manipulierte Dieselautos stets im Dreckmodus unterwegs, selbst jetzt im Sommer. Eine zweite illegale Abschalteinrichtung sorgt dafür, dass ab 1.000 Meter Bergeshöhe die Abgasreinigung (AGR) das ganze Jahr über ausgeschaltet bleibt. Diese höhenabhängige Abschalteinrichtung ist ebenso illegal wie die sog. “Thermofenster”, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH). Österreich, das Land der Berge mit 135 Orten oberhalb 1.000 Metern ist davon am stärksten betroffen, davon vor allem Tirol, wo 84 dieser Orte liegen.

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Bremsen gelöst, Hürden leicht auszuräumen

| 01.08.2022 | und Sonstiges

Der EuGH hat „Thermofenster“ in Dieselautos grundsätzlich für illegal erklärt, es den nationalen Gerichten aber überlassen, über Ausnahmen zu entscheiden. Das neueste EuGH-Dieselurteil stärkt Klägern inhaltlich den Rücken, löst die Blockaden bei Gericht und eröffnet möglicherweise Chancen zu weiteren Klagen. Allerdings können die nationalen Gerichte die Klagen gegen VW jetzt nicht einfach durchwinken. Denn der EuGH gibt stets nur den Rahmen vor und hat den nationalen Gerichten die Entscheidung überlassen, ob sie Ausnahmen zulassen. Dabei haben die Höchstrichter in Luxemburg ihnen so enge Grenzen gesetzt, dass sie zu keinem anderen Ergebnis kommen können, als „Thermofenster“ ebenfalls zu verbieten.

Was hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) genau entschieden? Es ist unzulässig, die Abgasreinigung von Dieselautos die meiste Zeit im Jahr auszuschalten und sie funktioniert, wenn es draußen zwischen +15 und +33 Grad Celsius hat. Sinn einer Abgasreinigung ist es ja, dass die Autos die Grenzwerte für das schädliche Abgas Stickoxid (NoX) einhalten, die Umwelt nicht gesetzwidrig zu verpesten und die Gesundheit der Menschen nicht zu gefährden. In Österreich mit einer Jahrestemperatur von durchschnittlich 7,4 Grad ist sicher: ein derart programmiertes „Thermofenster“ führt dazu, dass die Abgasreinigung „überwiegend“ abgeschaltet bleibt, was grundsätzlich unzulässig ist. 

In aller Klarheit stellte der EuGH fest, dass solche Abschaltungen auch dann illegal sind, wenn sie von nationalen Behörden zugelassen wurden, die Autos eine aufrechte Typengenehmigung haben oder erst im Zuge eines Software-Updates aufgespielt wurden.

Da VW beim gesetzlich verordnetem Rückruf genau solche „Thermofenster“ im Zuge des Software-Updates aufgespielt hat, die von der zuständigen deutschen Zulassungsbehörde auch genehmigt worden sind, hätte das Urteil gravierende Folgen für den Konzern: 8,4 Millionen Autos in ganz Europa wären illegal, davon 380.000 in Österreich. Sie müssten womöglich ersetzt, repariert oder zurückgekauft werden. Nicht nur die zurückgerufenen VW Autos mit dem EA 189 Motor (auf die sich das EuGH Urteil direkt bezieht), wären illegal, sondern auch jene „Thermofenster“, die in anderen Automarken mit einer technisch gleichartigen Abgasreinigung (AGR) eingebaut wurden, wie Mercedes, Fiat, Opel, Ford und Renault.

 Zehntausende anhängige Gerichtsverfahren, bei denen das EuGH-Urteil abgewartet wurde, kommen jetzt wieder in die Gänge. So auch die Sammelklagen des Vereins für Konsumentenschutz (VKI) mit 10.000 Betroffenen, die seit 2018 laufen sowie Tausende individuelle Klagen gegen VW, speziell in Österreich und Deutschland.

Hierzulande muss der Oberster Gerichtshof (OGH) also entscheiden, ob „Thermofenster“ zum Schutz des Motors ausnahmsweise zulässig sind, wie dies der milliardenschwere Konzern und die deutsche Bundesregierung argumentieren. Konkret ist zu prüfen ob: a) diese Abschalteinrichtungen technisch notwendig waren, um den Motor vor schwerwiegenden Schaden zu schützen und den sicheren Betrieb zu gewährleisten und ob b) es zur damaligen Zeit keine alternative Technologie gegeben hätte.

Für Experten wie Dr. Axel Friedrich, der mit unzähligen Messungen für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ganz wesentlich zur Aufdeckung des VW Skandals beigetragen hat, liegt es auf der Hand, dass keine Ausnahmen gestattet werden können.

Zu a) Ein Auto, das nur dann sicher fahren kann, wenn die Abgasreinigung öfters abgeschaltet als eingeschaltet ist, dürfte schon aus Sicherheitsgründen nicht auf den Markt kommen. Es darf nicht sein, dass eine Ausnahme öfter vorkomme als die Regel, denn das würde ja dem Sinn des Gesetzes zuwiderlaufen, gibt der EuGH in seinem Urteil vor.

Zu b) Technische Alternativen zum Abgasrückführungssystem (AGR) gibt es schon seit 2008, als die Produktion der beanstandeten VW Dieselautos begonnen hat. Damals wurden Modelle von VW, Audi, Daimler und BMW,  in die USA exportiert und waren bereits mit dem viel aufwendigeren SCR Katalysator und AdBlue ausgestattet. Doch letztere kostete 500 Euro pro Fahrzeug und war viel teurer als die billige AGR mit 30 Euro. Hier kommt wieder der EuGH ins Spiel, der in seinem Urteil zweifelsfrei festlegt, dass höhere Preise kein Hindernisgrund sein dürfen, eine bessere alternative Lösung einzubauen.

Dass VW und die deutsche Regierung mit allen Mitteln versuchen, sich mit einer Ausnahme-Erlaubnis zu retten, ist kaum verwunderlich. Es ist auch die konsequente Fortsetzung der Konzernstrategie, technische Fakten in Zweifel zu ziehen, um die (technisch unbedarften) Gerichte zu verwirren, Klagen zu gewinnen, Urteile zu verzögern und potenzielle Kläger abzuschrecken.

Gut in Erinnerung ist, wie VW Anwälte eiskalt abstritten, dass man in Europa – anders als in Amerika – die Abgasgrenzwerte nur am Prüfstand einhalten müsse und nicht auf der Straße. Ein kompletter Unsinn, wie sich mit dem EuGH-Urteil von Dezember 2020 herausstellte. Ein weiteres Argument von vor Gericht (etwa in Linz) war, dass es auf die Einstellung der Käufer ankomme, ob ihnen die Umwelt beim Autokauf wichtig gewesen wäre. Ein weiterer Unsinn, mit dem das jetzige EuGH-Urteil ebenfalls aufräumt: Natürlich kommt es nicht auf die Gesinnung der Käufer an, sondern auf die Tatsache, dass die Kunden nicht das bekommen haben, wofür sie zahlten.

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