Österreich kann gegen Raffinerien als Kriegsgewinnler vorgehen

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Europas Raffinerien haben seit Kriegsbeginn ihre Netto-Gewinnmargen fast verdreifacht. Das hat die Branchenuntersuchung der Österreichischen Bundes-Wettbewerbsbehörde (BWB) ergeben. Von Februar bis Anfang Juni hat sich eine 50 Liter-Tankfüllung Diesel um 24,60 Euro verteuert (Benzin um 25,80 Euro). Davon sind 13,20 Euro auf höhere Rohölpreise und 11,40 Euro auf dreifach gestiegene Brutto-Margen der Raffinerien zurückzuführen. Dass die BWB dennoch keinen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht feststellt, liegt auf der Hand. Denn zwischen den Raffinerien gibt ohnehin nur einen eingeschränkten Wettbewerb, der in Österreich sogar noch eingeschränkter ist als in Deutschland. Meiner Meinung nach könnte Österreich dagegen etwas tun, wenngleich es sicherlich sinnvoll ist, dass die BWB den Ball an die Europäische Kommission weiterzuspielt .

Normalerweise entsteht der Preis für ein Produkt (z.B Tisch), indem alle Gestehungskosten zusammenrechnet und eine Gewinn-Marge draufgeschlagen wird. Je nachdem, wie stark das G’riß (Nachfrage/Angebot) um dieses Produkt ist, kann diese Gewinn-Marge kleiner oder größer ausfallen. Nicht so beim Preis für Diesel und Benzin. Europas Anbieter haben sich hier auf ein sehr bequemes System geeinigt, das ihnen auf alle Fälle sichere Gewinne beschert. Der Preis für Diesel und Benzin wird von einem Börsenpreis abhängig gemacht, auf dem nur kleinste Mengen gehandelt werden (nur 5 bis 9 % des Volumens!), der Schwanz also buchstäblich mit dem Hund wackelt.

Alle Raffinerien tun dabei so, als würden sie jeden Liter Benzin und jeden Liter Diesel tagtäglich dort auf dieser Börse (“Produktenmarkt Rotterdam”) einkaufen. Selbst die, die ihre Treibstoffe ausnahmslos selber produzieren, verrechnen ihren Kunden immer diese hohen Börsenpreise (für Tankstellen wird noch ein fixer Aufschlag von maximal 5 Cent dazugerechnet, der einmal im Jahr im Herbst verhandelt wird). Sogar von ihren eigenen OMV-Tankstellen verlangen Raffinieren wie die OMV-Schwechat stets diese Börsenpreise. Das ist so, als würde man für ein und derselben Cappuccino überall in ganz Europa genauso horrend viel verlangen wie auf der Piazza San Marco in Venezia.

Nach Beginn des Kriegs der Russen gegen die Ukraine ist genau das passiert, was an Börsen in Krisensituationen stets passiert: es gab zwar keine echte Knappheit an Diesel und Benzin, sie wurde lediglich b e f ü r c h t e t. Das reichte aus, um die Börsenpreise in die Höhe zu treiben. Und weil sich die Raffinerien an ihnen orientierten, kam es zu den enormen Verteuerungen an den Zapfsäulen – zusätzlich zum teureren Rohöl.  Gäbe es diese „Bindung“ an den Börsenpreis nicht, hätten sich heimische Autofahrer seit Februar pro 50 Liter Tank bei Diesel 11,40 Euro und bei Benzin 12,60 Euro erspart.

Jetzt kommt es: in Deutschland werden diese Börsenpreise als eine Art Leitlinie (“Benchmark”) für Verhandlungen betrachtet, an die man sich nicht eins zu eins hält. Ganz anders in Österreich, wo die Börsenpreise “direkt den Preis setzten”, wie es die BWB auf Seite 28 in ihrem Bericht, in der Fußnote 39 festhält. Auf gut Deutsch: in Österreich ist man päpstlicher als der Papst und hält sich stur an diesen Börsenpreisen, die obendrein niemals öffentlich bekannt gegeben werden, sodass keine Transparenz gegeben ist. Als erster Schritt könnte man in Österreich diese automatische Bindung der Treibstoffpreise an die Börsenpreise lockern und  mehr von den tatsächlichen Raffineriepreisen abhängig machen. 

Höhere Spritpreise, die nur die Kassen großer Konzerne zusätzlich füllen, können nicht im Interesse der Allgemeinheit sein. Denn sie setzten einen  Schneeball in Bewegung, der sich in ganz Europa zur Kostenlawine auswächst. Es steigt dadurch die Teuerungsrate und löst eine fatale Spirale aus: Alle Gebühren, die in irgendeiner Form an die Teuerungsrate gekoppelt sind (Wasser, Kanal, Versicherungen) steigen automatisch, ebenso wie alle Auszahlungen, die ebenfalls von der Teuerungsrate abhängen, etwa Pensionen oder Mieten. In der Folge gibt es Preissteigerungen auf allen Ebenen, die gar nicht oder in ihrem Ausmaß nicht gerechtfertigt sind. Das setzt die Gewerkschaften bei den Verhandlungen für Kollektivvertragslöhne gehörig unter Druck und in der Folge Unternehmen, Institutionen und Vereine, die sich ihre Mitarbeiter nicht mehr leisten können und sie in die Arbeitslosigkeit schicken. Gefährlicher Zündstoff für gesellschaftliche Verteilungskämpfe und soziale Konflikte ist ausreichend gegeben, den sich Populisten politisch zu Nutze machen.