EuGH: Thermofenster illegal

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Als Betroffene erwarte ich mir – im 7. Jahr VW Dieselskandal! – eine zügige Umsetzung durch den Obersten Gerichtshof (OGH), sodass alle anhängigen Verfahren gegen VW wegen des Betrugsmotors EA 189 rasch zugunsten der Kläger beendet werden, darunter die 10.000 VKI Sammelklagen. Ebenso erwarte ich mir eine Initiative der grünen Verkehrsministerin, um – dort wo es Sinn macht – die Autos mit Hardware-Nachrüstungen umweltfreundlicher zu machen! Endlich! Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die sog. Thermofenster als illegal verurteilt, bei denen die Abgasreinigung von Dieselautos bei üblichen Temperaturen und während des überwiegenden Teil des Jahres verringert wird. Es handelt sich um keine geringfügige Vertragswidrigkeit, eine Auflösung des Kaufs ist daher grundsätzlich nicht ausgeschlossen, so die Große Kammer des EuGH in seinem heute verkündeten Urteil, das durch Anfragen aus Österreich ins Rollen kam – mit Michael Poduschka als federführender Anwalt- auf ganz Europa ausstrahlt.

Auslösend für das EuGH Urteil waren ausschließlich drei Fälle von VW-Dieselautos mit EA 189 Motoren der Abgasnorm 5 mit Thermofenster zwischen 15 und 33 Grad, das die Abgasreinigung in einem weit kälteren Land wie Österreich (unter 15 Grad Durchschnittstemperaturen) die meiste Zeit des Jahres außer Kraft setzt und die Umwelt mit dem schädlichen Abgas NOX massiv belastet. Das EuGH Urteil gibt die Linie für ganz Europa vor und für alle Automarken mit technisch ähnlich gestalteten “Thermofenster”, wie sie von Mercedes, Fiat, Opel und Ford bereits bekannt sind.

Bemerkenswert an dem Urteil ist, dass diese Themofenster selbst dann als unzulässige Abschalteinrichtungen einzustufen sind, wenn sie von einer Zulassungsbehörde (wie dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt) genehmigt worden sind und eine aufrechte Typenzulassung haben. Sie sind auch dann illegal, wenn sie später eingebaut worden wären, etwa durch das Software-Update. Sollten solche Thermofenster auch nach dem Software-Update in EA 189 Autos eingebaut worden sein, wären eigentlich alle upgedateten Dieselfahrzeuge von VW nicht zulässig.

Bemerkenswert ist, dass die EuGH Richter die Vertragswidrigkeit für keinesfalls geringfügig halten, selbst wenn der Käufer schon beim Kauf davon gewusst hätte.

Zwar halten die EuGH-Richter einen Auflösung des Kaufvertrags und damit eine Rückgabe des Autos für grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Sie verweisen in ihrem Urteil aber auch auf die bestehende Möglichkeit einer Nachbesserung/Ersatzleistung sowie einer Preisminderung hin. Mit der Möglichkeit einer Verbesserung , hätte die Verkehrsministerin einen Hebel in der Hand, nachträgliche Hardware-Nachrüstungen auf Kosten der Hersteller einzufordern, wodurch sich die Umweltluft schlagartig verbessern würde. Bei einigen Autos wäre das durchaus möglich, es gibt in Deutschland schon zugelassene und erprobte Hardware-Nachrüstungen speziell im Raum Stuttgart. Sollte eine Verbesserung nicht möglich sein, bliebe eine Wertminderung oder die Rückgabe noch offen.

Mit seinen heutigen Urteilen hat der Gerichtshof jedenfalls entschieden, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxidemissionen nur innerhalb des Thermofensters gewährleistet, eine nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 grundsätzlich unzulässige Abschalteinrichtung darstellt1 . Er hält sich damit weitgehend an die Schlussanträge seines Generalanwaltes Rantos im September 2021.

Bei der Frage, ob solche Thermofenster ausnahmsweise in Kauf genommen werden, um den Motor zu schützen, “eiert” das EuGH-Urteil so ziemlich herum: zuerst wird betont, dass die Abnutzung und der Verschleiß der Abgasreinigung (AGR Ventile, AGR-Kühler usw) nicht als Rechtfertigung für Thermofenster herangezogen werden dürfen. Dann lässt er

  • den Herstellern ein Schlupfloch offen (1)
  • gibt den Gerichten etwas zum Kiefeln und (2)
  • schränkt das Schlupfloch sofort wieder ein (3)

Im Detail: wenn nachgewiesen wäre, dass diese Thermofenster ausschließlich notwendig sind, um “die durch eine Fehlfunktion eines dieser Bauteile verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden”, Risiken, “die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen” (1).

Eine solche Abschalteinrichtung sei nur dann „notwendig“, wenn zum Zeitpunkt der EG-Typgenehmigung dieser Einrichtung keine andere technische Lösung solche Risiken abwenden kann. Es sei Sache der vorlegenden Gerichte zu prüfen, ob dies auf die Abschalteinrichtung, mit der die fraglichen Fahrzeuge ausgestattet sind, zutrifft (2).

Die Einschränkung folgt auf dem Fuß: Selbst wenn die oben beschriebene Notwendigkeit bestünde, ist eine Abschalteinrichtung, wenn sie unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, jedenfalls unzulässig. Ließe man nämlich eine solche Einrichtung zu, könnte das dazu führen, dass diese Ausnahme öfter anwendbar wäre als das Verbot, und brächte somit eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Grundsatzes der Begrenzung der Stickstoffoxidemissionen von Fahrzeugen mit sich. (3)”

Da unbestrittenerweise Thermofenster zwischen 15 und 33 Grad in unseren Breitengraden mehr als sechs Monate im Jahr nicht funktionieren, wären sie bei uns in Österreich jedenfalls verboten, sonst würde die Ausnahme öfter angewendet als das Verbot.