TTIP: So nicht

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Was auf den ersten Blick verlockend klingt, ist es auf den zweiten Blick definitiv nicht. Und schon gar nicht, wenn man sich die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen „TTIP“ vor Augen führt, die zwischen der EU und den USA im Gange sind. TTIP steht für „Transnationale Trade and Investment Partnership“.

Drei Umstände lassen großen Zweifel aufkommen, dass so ein Abkommen für uns in Europa und in Österreich von Vorteil ist. Erstens, weil die Verhandlungen geheim ablaufen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Während 600 ausgewählte und spezialisierte Lobbyisten Zugang zu den Verhandlungspapieren haben, bleiben 800 Millionen Menschen ausgeschlossen, inklusive ihre demokratisch gewählten Vertreter. Nur vereinzelte Seiten schaffen den Sprung in die Öffentlichkeit.

Das führt automatisch dazu, dass die Bedenken in der Bevölkerung wachsen: Freie Bahn für genmanipulierte Lebensmittel auch in Europa? Werden strenge EU-Umweltstandards abgeschafft, wie der Co2-Emissionshandel im Luftverkehr? Fällt das „Fracking“-Verbot in Europa, weil diese umstrittene Ölgewinnungs-Methode in den USA erlaubt ist und über den Schleichweg Freihandelsabkommen auch bei uns erlaubt werden muss? Können Konzerne in Zukunft einzelne Staaten wegen entgangener Geschäfte klagen, die zum Beispiel Atomkraftwerke verboten haben? Werden künftig neue, supranationale Schiedsgerichte die nationale Gerichtsbarkeit aushebeln?

Zweitens, weil Große dadurch mehr profitieren als Kleine. Es liegt auf der Hand, dass Unternehmenskonglomerate und Firmengiganten die neuen Freiheiten aufgrund ihrer Größe viel besser ausnützen können als Klein- und Mittelbetriebe. Mit TTIP gelingt es internationalen Konzernen noch schneller, Märkte mit ihren Produkten zu überschwemmen und die kleinen und mittelgroßen Firmen aus dem Markt zu werfen, also ausgerechnet Klein- und Mittelbetriebe, die in der heimischen Wirtschaft dominieren. Natürlich freuen sich die Verbraucher, wenn fürs Erste die Preise sinken, weil es mehr Anbieter gibt. Doch die Ernüchterung folgt auf den Fuß, wenn die Preise dann wieder rasant steigen, weil die wenigen Großen, die den Preiskampf überlebt haben, ihre marktbeherrschende Stellung beinhart ausnutzen.

Drittens: Die Schieflage zugunsten der USA: 3.300 europäische Firmen haben 24.000 Niederlassungen in den USA und sind daher an TTIP höchst interessiert. Aber 14.400 amerikanische Firmen haben 50.800 Niederlassungen in Europa, also vier Mal so viel US-Firmen mit doppelt so vielen Filialen in Europa! Widerstand ist angesagt. Verhandeln ja, aber nicht hinter verschlossenen Türen. Ja zum Abbau von Zöllen. Ja zur sinnvollen Vereinheitlichung technischer Normen etwa bei Stromsteckern oder Handys. Aber keine Entfesselung der Finanzmärkte und keine Verschlechterung europäischer Standards bei Umwelt, Lebensmitteln und im Gesundheitsbereich. Auch die Kultur – Film, Musik, Bücher – haben in so einem Abkommen nichts verloren.

Und: Widerstand zahlt sich aus: So ist es 2013 wegen der konsequenten Ablehnung der Franzosen gelungen, den audiovisuellen Wirtschaftsbereich Film und Musikproduktion „vorläufig“ aus den TTIP-Verhandlungen auszuschließen. Frankreich wollte Subventionen für den französischen Film nicht gefährden. Unterstützt wurden die Franzosen damals von vielen Medien- und Kulturschaffenden aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. So haben sich damals die Publikumsräte des ORF, des ZDF, des ARD und des SFR in einer Resolution geschlossen für eine Herausnahme des gesamten Kulturbereichs aus dem TTIP stark gemacht.