VW-Justiz:”Unakzeptable Verzögerungstaktik”

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Bereits im Mai 2020 hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in einem wegweisenden Urteil festgestellt, dass VW bei EA 189 Dieselautos „vorsätzlich und arglistig getäuscht“ hat und den Käufern Schadenersatz zusteht. „Wieso sich dieses eindeutige Höchsturteil ein Jahr danach – noch nicht bis bis zu Österreichs Richtern durchgesprochen hat, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen, zumal auch der EuGH im Dezember vergangenen Jahres derartige Abschalteinrichtungen für illegal erklärt hat“, empört sich Dr. Friedrich im Gespräch mit mir. Immerhin hatte der Experte einen persönlich ausgezeichneten Eindruck von den vielen Detailfragen des zuständigen Richters in Leoben mitgenommen.

Tatsächlich sorgt die Ursache, warum gleich 9 Landesgerichte(Eisenstadt, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Korneuburg, 2 Verfahren in Linz, Salzburg, Steyr) die VKI Verfahren gegen VW unterbrochen für Kopfschütteln bei Experten wie Dr. Friedrich. Der Grund lautet laut Mitteilung des VKI:  diese Gerichte wollen abwarten, bis der EuGH zum Thema „Thermofenster“ geurteilt hat.

“Das ist ein völliger Unsinn”, entgegnet Dr. Friedrich mit Entschiedenheit. Schließlich spielt das Problem mit den „Thermofenstern“ bei jenen VW Autos gar keine Rolle, um die es in den VKI-Klagen geht. Da geht es Autos der Marken VW, Skoda, Audi und Seat, die mit einem Betrugsmotor EA 189 und einer illegalen Abschalteinrichtung ausgestattet sind. Technisch schaut der Betrug, der im September 2015 aufgeflogen ist, so aus: Diese Autos erkennen, wann sie am Prüfstand stehen und schalten auf einen sauberen Betriebsmodus um, um die Typisierung zu bestehen und den Grenzwert für das Abgas NOX (Stickoxid) einzuhalten.. Sobald das Auto erkennt, dass es auf der Straße fährt, sorgt eine Umschaltung dafür, dass das Auto in den schmutzigen Betriebsmodus wechselt, bei dem die sogenannte Abgasrückführung (AGR) teilweise oder komplett ausgeschaltet wird, sodass viel zuviel NOX ausgestoßen wird. „ Genau das ist illegal: die Prüfstanderkennung  mit  Reduzierung oder Abschaltung  der Abgasreinigung“, erklärt Dr. Friedrich.

Genau für diese Art von Autos, die eindeutig und zweifelsfrei eine illegale Abschalteinrichtung hatten, hat der VKI im September 2018 für 10.000 Geschädigte Sammelklagen bei 16 Gerichten eingebracht. Seitdem setzt VW alle Hebel in Bewegung, um die Verfahren zu verzögern.

Das sogenannte Thermofenster, das Dr. Friedrich richtigerweise als „Betrugsfenster“ bezeichnet wissen will, spielt bei anderen Diesel-Autos eine Rolle, bei Daimler-Mercedes, Fiat oder Opel, um einige Beispiele zu nennen. Abhängig von den herrschenden Außentemperaturen wird die Abgasreinigung nur bei gewissen Temperaturen (Fenster) voll aktiviert, etwa zwischen +19 und +30 Grad Celsius. Liegen die Temperaturen drüber oder drunter, wird die Abgasreinigung abgeschaltet, entweder schrittweise oder komplett. Dieser Mechanismus ist stets derselbe, sowohl auf dem Prüfstand als auch auf der Straße. Deshalb argumentieren diese Hersteller auch damit, dass sie keine Umschaltung haben wie bei VW. Zufall oder nicht: auf dem Prüfstand herrschen: zwischen 20 und 30 Grad, bei denen die Abgasreinigung voll funktioniert. Daimler-Mercedes und Opel haben die Existenz solcher Betrugsfenster zugegeben, sie aber mit dem notwendigen Schutz der Motorbauteile begründen wollen. „Das ist ein völliger Nonsens, der EuGH hat diese Ausrede auch schon zurückgewiesen“, argumentiert Dr. Friedrich. Und Entscheidungen des EUGH gelten auch für österreichische Gerichte!

 

Bleibt die Frage, warum in Österreich 9 Gerichte auf die Klärung einer Frage warten, die für das Verfahren nicht relevant ist?