Fast fix: Software-Update mit Betrugsfenstern illegal

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Die Vorgeschichte: Am 17. Dezember 2020 hatte der EuGH auf Ersuchen eines französischen Strafgerichtes in Sachen VW geurteilt, jetzt ging es um Renault, Peugeot und Fiat. Ihnen werfen französische Strafrichter  vor, Fahrzeuge mit einer Software in Verkehr gebracht zu haben, die in der Lage war, die Typgenehmigungsstufe dieser Fahrzeuge zu erkennen, um die Ergebnisse der in dieser Stufe durchgeführten Prüfungen der Emission von Schadgasen, insbesondere von Stickoxiden (NOX), zu verfälschen. Da die gestellten Vorabfragen ziemlich ähnlich waren, zog der EuGH diese drei Verfahren zusammen und bekräftigte nun per Beschluss (unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Kumin, der Richter P. G. Xuereb und  I. Ziemele sowie Anhörung des Generalanwalts A. Rantos) sein wegweisendes Dezember-Urteil.

Die Kernaussage lautet nach wie vor:

Alle Abschalteinrichtungen sind verboten, die einen beliebigen Parameter beim Typengenehmigungsverfahren erfassen, um die Leistung des Emissionsminderungssystems während dieses Verfahrens zu verbessen, um so die Typengenehmigung  zu erhalten. Im Klartext: wenn die Abgaswerte während des Prüfverfahrens gesteuert und verbessert werden durch Parameter – wie Temperatur, Zeit, Höhenmeter, Drehmoment, Kühlwassertemperaturen, Gangschaltung bei Automatik usw. –  handelt es sich um eine verbotene Abschalteinrichtung.

Die Sache mit dem Betrugsfenstern

Dass auch “Betrugsfenster” illegal sind, ergibt aus folgender Passage: Solche Abschalteinrichtungen, die im Typengenehmigungsverfahren die Leistung des Emissionsminderungssystems verbessern,  sind auch dann verboten, wenn eine solche Verbesserung ad hoc auch unter den Bedingungen des normalen Betriebs des Fahrzeugs festgestellt werden kann. Dazu muss man wissen: Bei Autos mit  Betrugsfenstern (“Thermofenstern”) ist die Abgasreinigung immer nur  bei gewissen Temperaturen voll funktionsfähig, meist zwischen +18 und +30 Grad Celsius (daher die Bezeichnung “Fenster”).  Liegen die Temperaturen darunter oder darüber, wird die Abgasreinigung entweder komplett oder schrittweise ausgeschaltet und die Abgaswerte (NOX) verschlechtern sich drastisch. Die Typisierung am Prüfstand (nach damaliger Methode NEFZ) spielt sich stets bei  Temperaturen zwischen +20 und +30 Grad ab, also genau in jenem Bereich, wo die besten Abgaswerte möglich sind  (was für ein Zufall!!).  Dass man auch im Straßenbetrieb (“unter den Bedingungen des normalen Betriebs”) unter Umständen (eben bei +20 bis +30 Grad) ebenso sauber unterwegs sein kann wie am Prüfstand , ändert nichts daran, dass so eine temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung illegal ist.

Damit fällt ein wichtiges Verteidigungsargument von Autobauern wie Daimler-Mercedes in sich zusammen. Vor allem Daimler-Mercedes hatte ja stets damit argumentiert, dass in den Autos keine eigene Umschaltlogik eingebaut wäre – keinen Schalter wie bei VW – und dass auf der Straße und am Prüfstand die gleichen Parameter zur Steuerung der Abgase herangezogen würden. Laut EuGH Beschluss sind solche Parameter-Steuerungen des Abgasminderungssystems jedoch grundsätzlich verboten.

In den nächsten Wochen und Monaten ist ein eigenes Urteil des EuGH in Zusammenhang mit den Software-Updates zu erwarten. Unzählige Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unter technischer Leitung des Technik-Doyen Dr. Axel Friedrich haben auch n a c h den Software-Updates  hohe Abgaswerte ergeben. Daraus ist folgerichtig zu schließen, dass Betrugsfenster eingebaut sind, die laut EuGH verboten sind. Dieses Verbot muss auch für die Software-Updates gelten und zwar unabhängig davon, ob sie von einer Zulassungsbehörde (z.B vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt) erlaubt wurden oder nicht.

Zurück zum Mai-Beschluss des EuGH, der zwei weitere Kernaussagen des Dezember-Urteils bekräftigt:

Erstens: Dass die Abgasreinigung zum Schutz von Motorbauteilen zeitweise weggeschaltet werden darf, lassen die Höchstrichter nicht gelten. Zitat aus dem Beschluss : …“dass eine Abschalteinrichtung, die die Leistung des Emissionsminderungssystems des Fahrzeugs während des Typgenehmigungsverfahrens systematisch verbessert, um die in dieser Verordnung festgelegten Emissionsgrenzwerte einzuhalten und damit die Genehmigung für diese Fahrzeuge zu erhalten, kann nicht unter die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme vom Verbot solcher Einrichtungen fallen, die den Schutz des Motors vor Beschädigung oder Unfall und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs betrifft, auch wenn diese Einrichtung dazu beiträgt, die Alterung oder das Verstopfen des Motors zu verhindern.“

Damit geht die bisherige Argumentation von Autobauern wie Daimler-Mercedes, Opel und Fiat ins Leere, die mit dem nötigen Motorschutz argumentiert hatten

Zweitens: Das Verbot von Abschalteinrichtungen gilt für alle Arten von technischen Abgasreinigungssystemen, nicht nur für die sog. “Abgasrückführung” (AGR), die meist in ältere Modelle der EU-Abgasnorm Euro 5 eingebaut ist und die im Zentrum des VW Dieselskandals stehen.  Verboten sind  alle Arten von Abgasreinigungssystemen, egal ob sie die Abgase bei der Entstehung oder nach der Entstehung abfangen. Damit stellen die Höchstrichter neuerlich klar, dass auch modernere Systeme wie SCR samt AdBlue (Harnstoff)  darunter fallen, die in  modernere und größere Autos einbaut sind (Abgasnorm Euro 6).