VW: Alle Updates illegal?

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Auch die Verjährungsfristen beginnen neu zu laufen, so Kolba. Und Millionen von  Software-Updates, die in den letzten vier Jahren auf Diesel-Autos der Euroklasse 5 aufgespielt wurden, wären – auch rechtlich gesehen – für die Katz.  In Österreich sind laut Angaben des Verkehrsministeriums  351.342 Diesel-Fahrzeuge der Marken VW, Skoda, Audi und Seat zurückgerufen worden (91,7% aller vom Dieselskandal 2015 betroffenen 383.296 Autos). Sie wären illegal unterwegs. (siehe auch Bericht im Standard)

Worum geht es genau? Mit Urteil vom 31.07.2019 hat das Landgericht Düsseldorf, 7O 166 / 18 entschieden, dass die Volkswagen AG Schadensersatz schuldet, weil sie den Kläger beim Aufspielen des Software-Updates nicht darüber aufgeklärt hat, dass auch das Update eine illegale Abschalteinrichtung enthält. Der Kläger erwarb einen VW Tiguan mit dem Motor EA189. Auf dieses Fahrzeug wurde das von VW angebotene Software-Update aufgespielt. Allerdings ist die Abgasreinigung durch das Update so programmiert worden, dass sich ein “Thermofenster” ergibt. D.h., die Abgasreinigung (genauer: Abgasrückführung) funktioniert nur bei Temperaturen zwischen +10° bis+ 32° Celsius. Bei Temperaturen unter +10° Celsius und über +32° Celsius findet hingegen keine Abgasreinigung statt, das Auto bläst die Abgase (Stickstoffoxid) ungefiltert in die Luft.  Außerdem wird die Abgasreinigung stets ab einer Höhe von 1.000m ausgeschaltet, ist also in den Bergen besonders schmutzig unterwegs.

Das Landgericht Düsseldorf hält diese Abschalteinrichtungen für unzulässig. Aufgrund der durch das “Thermofenster” gegebenen Einschränkungen bei der Abgasreinigung verfüge das Fahrzeug auch nach dem Update über eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne der europäischen Vorschriften. Nach Ansicht des Landgerichts Düsseldorf hätte die Volkswagen AG den Kläger über diese Einschränkungen nach dem Software Update aufklären müssen. Es geht also dabei gar nicht darum, dass die Volkswagen AG ursprünglich manipuliert hat, sondern ausschließlich um das aufgespielte Update.  Der Kläger wurde vorsätzlich sittenwidrig durch das Aufspielen und die mangelnde Aufklärung geschädigt, daher schulde ihm die Volkswagen AG Schadenersatz.

Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, der dieses Urteil erwirkt hat, argumentiert wie Kolba: „Es ist ein absolutes Sensationsurteil. Wenn die Auffassung des Landgerichts Düsseldorf zutrifft, ist das Update unbrauchbar und die Fahrzeuge sind weiterhin illegal unterwegs. Damit können weiterhin alle Geschädigten Schadensersatzansprüche gegen VW geltend machen. Da diese Schadensersatzansprüche aus dem Update resultieren, gelten nicht die ursprünglichen Verjährungsregeln, sondern die Verjährung beginnt neu zu laufen.“

Dass es bei den Rückrufen solche „Thermofenster“ gegeben hat, die rechtlich nicht zulässig sind, ist eigentlich längst bekannt. Bereits in unserem Buch („Diesel-Schäden. Wie Sie sich zur Wehr setzten können!“) das  Peter Kolba und  ich vor einem Jahr veröffentlich haben, haben wir ziemlich ausführlich auf dieses Problem aufmerksam gemacht.

Hier die einzelnen Fakten im Überblick aus dem Buch (Kapitel 3 – Behördenversagen bei Software-Updates, ab Seite 45 )

15.10.2015: VW ruft europaweit 8,5 Millionen Fahrzeuge zurück, davon 384.000 in Österreich

30.11.2016: Die deutsche Zulassungsbehörde – das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) – legt nach außen hin kein Ziel fest, um wieviel durch das Software-Updates die Abgase (Stickstoffoxid, NOX) gesenkt werden müssen. Betroffenen Autobesitzern wie mir wird der tatsächliche Abgasausstoß zunächst sogar beharrlich verschwiegen.

 

Ende 2015/ Anfang 2016: VW diktiert dem KBA die Vorgaben für das Software-Update: KBA akzeptiert  vor allem die (falsche) Rechtsauffassung des Konzerns, dass der gesetzliche Grenzwert für NOX nur auf dem Prüfstand einzuhalten ist, nicht aber auf der Straße.

 

22.4.2016: Im Bericht der Untersuchungskommission kritisiert diese Kommission 22 Modelle von Daimler, Opel und Volkswagen (Porsche, Audi ,VW) mit Thermofenstern , die nicht durch den Bauteileschutz zu rechtfertigen seien. Für diese 630.000 Modelle soll es freiwillige Rückrufe geben. Dabei misst die Untersuchungskommission mit zweierlei Maß: während sie bei den VW-Software-Updates Thermofenster ausdrücklich gestattet, beanstandet sie genau solche Thermofenstern bei anderen Modellen z.B. beim Opel Zafira

 

Februar/März 2017: die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ührt Straßenmessungen durch, vor und nach Aufspielen des Software-Updates. Ein VW Golf VI hatte vorher 964 mg/km (Stickstoffoxid, NOX), nach dem Update 602 mg/km. Das ist 3,3 Mal mehr als der  gesetzliche Grenzwert von 180 mg/km erlaubt!

Dieses erschreckende Ergebnis führte dazu, dass die DUH beim Verwaltungsgericht Schleswig gegen die Rückrufanordnung des KBA klagte, da sie offenkundig ungeeignet sei, rechtmäßige Zustände herbeizuführen. VW konterte sofort und erwirkte beim Landesgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung gegen den Geschäftsführer der DUH, Juergen Resch, sofern dieser die Updates weiterhin als unwirksam abwerten würde, drohen ihm Geldstrafen bis zu  250.000 Euro oder ein halbes Jahr Haft.

Juni 2017:        Medien (Spiegel, ZDFzoom, Standard) decken auf, dass KBA dem VW Konzern beim Software-Update nicht nur den Einbau von Thermofenstern gestattet hat, sondern zusätzlich auch noch selbstherrliche Zielwerte für Autos nach dem Updatet. Der Zielwert für das Abgas Stickstoffoxid (NOX) wurde mit 900 mg/km fixiert, das ist fünfmal mehr als der gesetzliche Grenzwert von 180 mg/km! Da alle Euro 5  Diesel-Autos im Schnitt 900 mg/km auf der Straße ausstoßen, ergibt sich aus dieser großzügigen Vorgabe kein Verbesserungszwang für das Update.

20.10.2017: Das Oberlandesgericht Düsseldorf bekräftigt in einem wegweisenden Spruch die Rechtsmeinung der DUH. Darin wird ausdrücklich festgehalten, dass die europäischen Zulassungsvorschriften eine ordnungsgemäße Abgasreinigung unter normalen Straßenbedingungen vorschreiben (im heißen Sommer wie kalten Winter) und nicht nur während der 20 minütigen Prüfung im Labor. Nach diesem hart erkämpften Urteil darf die DUH behaupten, dass die Rückrufe des KBA rechtswidrig seien, wenn nachher der Grenzwert noch immer um das 3,3-Fache überschritten wird auf der Straße. Die Konsequenzen daraus? Vorerst Null (Kolba/Ninz Seite 63)

Dieses Urteil kam jedoch für die erste Generation des Abgasskandals viel zu spät. Denn im Juni 2017 hatte die deutsche Zulassungsbehörde, das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bereits alle Freigaben für Diesel-Pkw aus dem VW Konzern (Volkswagen, Skoda, Audi, Seat) mit EA 189 Motoren 1,2, 1,6 und 2 Liter, der Euro-Abgassklasse Euro 5 erteilt.

Spannende Frage: Ab wann wurde der Spruch des Oberlandesgerichts denn vom KBA befolgt? Wie lautet die amtliche Konsequenz aus den illegalen Rückrufen ?