VW/Mercedes: Teures Sparen!

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Um diesen Skandal in seiner vollen Dimension begreifen zu können, müssen wir – bitte um Verständnis! – uns kurz mit der Technik befassen. Alsdann: VW und Mercedes entwickelten früher gemeinsam eine BlueTec-Technologie,  die Stickoxidemissionen im Auto völlig reduziert, sodass kein Schadstoff nach außen geht. Aus der gemeinsamen Partnerschaft stieg VW später aus und produzierte unter dem Namen „Blue Motion“ eine eigene, ganz ähnliche Technologie.

Salopp  gesagt, geht es dabei um ein richtiges System (SCR – selektive katalytische Reduktion), bei dem drei Elemente zusammenspielen:  1. Speicher 2. Zwischenstück und 3. Harnstofftank. Dabei wird Harnstoff zur Neutralisierung der Stickoxide eingespritzt. Das ganze SCR-System muss ins Motormanagement integriert sein und braucht genügend Platz , vor allem für den Harnstoff-Tank. Und: Man muss diesen Harnstofftank immer wieder nachfüllen!

Halten wir also fest: Mit diesem System wurde eine echt saubere neue Technologie entwickelt, bei der die Stickoxide im Motor selbst gleich wieder vernichtet werden, ohne die Umwelt zu belasten. Autokonzerne wie VW und Mercedes haben damit heftig geworben, einen Durchbruch gefeiert und reihenweise Umweltpreise kassiert.

Und jetzt kommt es: Wie Ewing in seinem Buch aufdeckt (Jack Ewing, Seite 203 ff, deutsche Ausgabe), hat VW – erstmals in einem Passat für den US-Markt im Jahr 2012 – einen zu kleinen Harnstoff-Tank eingebaut. Auf dem Prüfstand funktionierte das System trotzdem einwandfrei. Nicht auf der Straße. Denn da wurde die Einspritzung des Harnstoffs stark hinunterreguliert, mit Hilfe einer illegalen Abschalteinrichtung. Später wurde diese Abschalteinrichtung auch bei den größeren Audis und Porsches in den USA eingesetzt. (Erfunden wurde die illegale Abschalteinrichtung bei Audi, 2008)

Fassen wir also zusammen: Da hat man extra eine echt saubere Technologie entwickelt. Die Autoindustrie ist dazu in der Lage! ABER:  gleichzeitig setzte man diese eigens entwickelte und teure Sauber-Technologie außer Kraft, sodass sie auf der Straße zur Dreckschleuder mutiert. Und den Kunden gaukelte man in teuren Werbekampagnen größte Umweltfreundlichkeit vor.

Warum hat VW dermaßen widersinnig agiert und die eigne Entwicklungsarbeit ins Gegenteil verkehrt? Auch darauf findet sich bei Jack Ewing die Antwort: Die Dosierung für den Harnstoff-Tank wurde niedrig gehalten, weil man den Amerikanern nicht zutraute, ein Auto zu kaufen, „bei dem sie eigenhändig einen Tank mit einer unangenehmen Chemikalie nachfüllen müssten“ (Jack Ewing, Seite 239 ff).

Kurzum: Man wollte den Kunden ein ständiges Nachtanken des Harnstoffs ersparen und hat den Harnstoff-Verbrauch künstlich so reduziert, dass man mit einem Harnstoff-Tank bis zum ersten Ölwechsel auskam und ihn in der Werkstätte nachfüllen konnte – unbemerkt vom Kunden!

Aus Marketing-Gründen hat man alle in die Irre geführt. Skrupellos.

Bei Audi und Porsche hat man genauso gehandelt, der Schwindelt bei den großen Luxusautos flog dann im November 2015 in den USA auf.

Das, was die Kollegen in der Süddeutschen Zeitung jetzt über Mercedes berichten, erinnert haargenau an diese Vorgänge bei VW, die Ewing beschreibt.

Auch bei Mercedes ging es offenbar darum, ein an sich effizientes System durch eine Reduzierung des Harnstoffes nahezu außer Kraft zu setzen. Ein Witz ist das Wording rund um die Mercedes-Sache: man wollte sparsam mit dem Harnstoff umgehen – ganz nach dem Vorbild schwäbischer Hausfrauen.